10 * Marko aus Tropoja

Heinz-Dieter Brandt

von Heinz-Dieter Brandt

Story

Tropoja oder besser Bashkia e Tropojës ist eine von 61 Gemeinden im Nordosten Albaniens an der Grenze zum Kosovo und zu Montenegro mit rund 20.000 Einwohnern. Auf dem gebirgigen Gemeindegebiet am Rande der Albanischen Alpen befinden sich mehr als ein Dutzend Zweitausender, darunter Malësi e Gjakovës, das Gjakova-Gebirge.

Historisch war Tropoja immer auf das 25 km entfernte Gjakova im Kosovo ausgerichtet. Auf der Londoner Konferenz von 1913 wurden die Grenzen Albaniens neu festgelegt und Tropoja verlor plötzlich seinen wichtigsten Handelsplatz. Viele Bewohner wurden von ihren Familien getrennt. Erst gegen Ende des Kosovokrieges 1999 wurde die Grenze am hohen Pass zwischen Tropoja und Kosovo wieder geöffnet.

Aus der Not heraus lebten viele Familien in den 1980er Jahren als Handlanger der Cosa Nostra vom Schmuggel. Sie kriminalisierten sich und schlossen sich der Pizza Connection an. Diese Connection war ein Drogenring in den USA, über den verschiedene „Familien“ der sizilianischen Cosa Nostra jahrelang Drogen – meist in Tomatendosen – von Sizilien in die USA schmuggelten. Als Tarnung und Geldwaschanlage dienten einfache Pizzerien. Da der Verfolgungsdruck durch das FBI zu groß wurde, gaben sie diese Art des Schmuggels bald auf. Nach der Zerschlagung der Pizza Connection wurde die entstandene „Marktlücke“ teilweise von Albanern besetzt. Als Albanien nach dem Ende des Sozialismus 1990 ins Chaos stürzte und viele Einwohner zur Emigration gezwungen waren, begann die albanische Mafia, andere kriminelle Strukturen in Europa zu zerschlagen und deren Geschäftsfelder zu übernehmen. Ein Handelsembargo gegen Jugoslawien begünstigte den Schmuggel über Albanien. Die kriminellen Strukturen verfestigten sich und die Albaner gingen immer brutaler vor.

Marko war das dritte von elf Kindern. Seine Familie lebte seit Generationen in seiner Heimatstadt und verdiente ihren Lebensunterhalt, um es vorsichtig auszudrücken, mit der Beschaffung und dem Transport von Gütern aller Art, die es dort nicht oder nur zu überhöhten Preisen gab. Sie waren Schmuggler. Das war nicht für alle in der Familie gut: Sein Großvater wurde irgendwann erwischt, kam ins Gefängnis, wurde wieder freigelassen und später auf der Flucht vor einem zweiten Gefängnisaufenthalt erschossen. Von seinen acht Brüdern verloren zwei im Kampf mit der Polizei ihr Leben, die Ehemänner seiner beiden Schwestern wurden von Killern der Cosa Nostra hingerichtet, weil sie sich nicht an Absprachen gehalten hatten. Nach der Zerschlagung der Pizza Connection arbeitete Marko zunächst als Schmuggler für die Cosa Nostra, entdeckte dabei seine sadistische Ader, fand immer mehr Gefallen daran, andere Menschen zu quälen und bot sich der ‚Ndrangheta als Killer und „Informations- und Geständnisbeschaffer“ an, blieb aber „unabhängig“. Er brüstete sich damit, jede Information herauszubekommen und hatte dafür immer ein paar selbst entwickelte Werkzeuge zur Hand. Am liebsten arbeitete er mit Autobatterien, deren Pole an bestimmte Stellen des Menschen angeschlossen, schnell zum Erfolg führten. Wie Emmanuell war auch Marko ein Sadist.

Er war der Inbegriff des brutalen Albaners.

© Heinz-Dieter Brandt 2023-09-24

Genres
Spannung & Horror
Stimmung
Dunkel, Angespannt