von Nina Waldkirch
Es ist Ramadan, als wir uns 2009 entschließen, unseren Urlaub in Dubai zu verbringen. Berührungen vor anderen Menschen und Essen und Trinken in der Öffentlichkeit sind verboten. Vergehen werden mit bis zu 1000 € Bußgeld und sogar Freiheitsstrafe geahndet. Frauen sollten sich unabhängig vom Ramadan „respektvoll kleiden“, das heißt, Schultern und Knie müssen bedeckt sein. Ich bin neugierig und liebe fremde Länder und Kulturen. Daher lasse ich mich gerne darauf ein.
Trotzdem fühlt es sich seltsam an, als ich auf dem Souk wie ein Stück Fleisch zum Verkauf begafft werde, obwohl ich korrekt angezogen bin. Auf dem traditionellen Mark herrscht reges Treiben, man wird mit bunten Farben und allerlei Düften regelrecht überschüttet. Ich habe eine Frage zu einem Gewürz, muss diese allerdings Sascha stellen lassen, da Frauen vermeiden sollten, Männer direkt anzusprechen. Ohne Mann wäre ich hier aufgeschmissen – ein Gefühl, das mir bislang fremd war. Auf dem Rückweg nehmen wir den Touri-Bus, um zusammenbleiben zu können, denn die lokalen Linienbusse trennen nach Geschlecht.
Den Tag darauf verbringen wir am Strand. Ich habe mich versichert, dass ich am Hotelstrand einen Bikini tragen und damit auch ins Wasser darf, ohne dass jemand Anstoß daran nimmt. Wir mieten uns ein kleines Motorboot und fahren damit aufs Meer hinaus. Plötzlich gerät eine große Yacht in unser Fahrwasser, bildet hohe Wellen und lässt unser Boot kippen. Dabei falle ich kopfüber ins Meer. In Sekundenschnelle zieht mich der Sog der ungeschützten Schiffsschraube an und schneidet mir in beide Arme, der rechte Ellenbogen wird bis zum Knochen angesägt. Sascha zieht an Bord geistesgegenwärtig die Motorsicherung, hievt mich wieder ins Boot und fährt uns zurück zum Strand, wo er Hilfe holt. Vor dem Hotel wartet ein Taxi, das mich in die Notaufnahme bringen soll. Doch es gibt ein Problem: Ich bin nicht richtig angezogen! Mein Bikini wäre zu aufreizend für das Krankenhaus, so werde ich nicht aufgenommen. Wütend holt Sascha Kleidung vom Hotelzimmer und zieht sie mir behelfsmäßig über. Dennoch werde ich im Krankenhaus mit empörten Blicken bedacht und eilig hinter einem Vorhang versteckt. Nach einigen Minuten kommt ein junger arabischer Arzt mit einer Krankenschwester. Ich erkläre, was passiert ist und frage, wie es jetzt weiter geht. Der Arzt weicht meinem Blick jedoch aus und verlässt mich wieder wortlos. Hilfesuchend schaue ich die Krankenschwester an, die mir beteuert, dass alles wieder gut wird. Kurz darauf kommt ein neuer Arzt – älter und indisch. Er spricht mich direkt an und erklärt mir, dass er mich jetzt nähen wird. Sein Kollege lässt sich entschuldigen: Er befindet sich im Ramadan und sieht sich daher außer Stande, mich in diesem Outfit zu operieren.
Seit diesem Erlebnis weiß ich die bisher erkämpften Frauenrechte in Deutschland noch mehr zu schätzen. Rückblickend ist Dubai für mich daher leider kein Märchen aus 1001 Nacht, sondern eines aus 1001 Albträumen.
© Nina Waldkirch 2021-03-08