von Marlene Flucke
Sophie,
ich habe nahezu ein halbes Jahr auf einen Brief von dir gewartet und in dieser Zeit sehr gelitten. Jeden einzelnen Tag ging ich zu unserem gemeinsamen Postfach. Acht Wochen lang bis ich so frustriert war, dass ich eine ganze Weile gar nicht mehr hinging. Irgendwann habe ich mir dann vorgenommen, nur noch alle zwei Tage im Postfach nach einer Nachricht zu schauen. Ein verfluchtes halbes Jahr hast du mich alleine gelassen ohne auch nur eine einzige Nachricht von dir. Ich hatte gehofft, dass du wenigstens alle vier Wochen schreiben würdest. Aber von dir kam nichts. Ich zweifelte an unserem Vertrag und fragte mich, worauf ich überhaupt noch warte. Ich habe noch nichts so sehr in meinem Leben bereut, wie den Abschluss dieses Vetrages. Doch du weißt, dass ich niemals mein Wort breche und so brach ich es also auch nicht. Der Gedanke, dass du jemanden anderen an deiner Seite hast, hat mich jede einzelne Nacht gequält, sodass ich kaum schlafen konnte. Ich versuchte mich mit der Uni und einem zeitaufwändigen Nebenjob abzulenken aber es gelang mir nicht. Ich lag nachts stundenlang wach bevor ich schließlich auch nzr aus totaler Erschöpfung einschlief. Ich hatte überlegt dir zu schreiben, doch ich hatte aus meiner tiefen Überzeugung, Nachrichten von dir zu erhalten, es dir schwerer machen wollen. Ich wollte, dass du sehnsüchtig auf eine Nachricht von mir wartest und es kaum aushält, damit du schneller zu mir zurückkehren würdest aber schlussendlich machte mich diese Vereinbarung – dass wir gar nicht kommunizierten zum Sklaven meiner eigenen Gedanken. Ich war gefangen in meinem eigenen Konstrukt. Ich konnte dem nicht entfliehen. Ich hasste mich selber und stand noch nie in meinem Leben schwächer da als jetzt.
Als ich dann den Brief von dir erhielt, war ich mit einem Mal wieder der glücklichste Mensch der Welt, dabei wusste ich noch gar nicht, ob überhaupt eine Wiedervereinigung unserer Herzen möglich ist. Ich verspürte nach langer Zeit wieder eine innere Zufriedenheit und ein Gefühl der Geborgenheit. Dabei trug ich doch die ganze Zeit tiefe Angst in mir. Die Angst dich gänzlich verloren zu haben. Die Angst dich nie mehr in den Armen halten zu können hat mich extrem gequält. Und doch öffnete ich den Brief noch am Postfach, weil ich endlich Gewissheit wollte. Ich wollte diese Quälerei nicht mehr. Nicht mehr diese Hoffnungslosigkeit. Ich wollte dich.
Ich nehme deine Einladung zum Essen gerne an. Ich wünsche mir dafür ein Chili Curry mit Reis und Naanbrot. Du weißt ja, wie oft ich an diesem Gericht gescheitert bin. Ich hätte dafür am Mittwoch-, Freitag- oder Samstagabend ab 20 Uhr Zeit. Ich würde dann zu dir kommen und mich auch um den Nachtisch kümmern. Ich bin aufgeregt dich wiederzusehen und weiß noch nicht wie ich mich verhalten soll. Es ist so viel geschehen, was du nicht weißt. Ich habe dich nie vergessen aber vieles getan, um es zu tun. Dich zu vergessen. Ich war krank vor liebe und hätte dir am liebsten den Abschlussbrief geschrieben doch ich konnte nicht. Ich liebte dich und tue es auch heute noch.
© Marlene Flucke 2023-08-31