von JenniferFortein
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Wenn ich nur etwas sesshafter wäre, würde ich hierher auswandern und auf ewig in Montego Bay bleiben. Obwohl ich mir dieses Versprechen nicht einmal selbst geben könnte, denn es existieren so viele beeindruckende Gegenden auf der Welt. Doch dieser Ausflug mit den Tauchschein-Touristen hat mich wieder einmal für diesen Ort begeistert. Liegt es am perfekten Blau des Wassers? Den bunten, beeindruckenden Korallenriffen? Dass man eins wird mit der Natur unter Wasser, zwischen Fischschwärmen und Schildkröten? Ich versinke in eine wohlige Zufriedenheit, während das Schiff gegen die platschenden Wellen zurück zur Küste rast, bis ich eine Hand auf meinem Oberarm spüre. Eine junge Frau steht neben mir, ihre langen Haare kleben nass an Gesicht, Hals und Brüsten. Sicher ein netter Anblick, wäre ich nicht immer noch versunken in das Tiefblau des Meeres.
»Entschuldige, wenn ich störe, Logan«, spricht sie mich an. »Ich wollte mich nur für diese wunderbare Tauchtour bedanken.«
Ich winke ab. »Das ist mein Job.«
»Aber den machst du hervorragend. Das war die spannendste Tour, die ich je erlebt habe, und ich habe schon viel Erfahrung.« Sie lehnt sich ebenso wie ich mit dem Rücken gegen das Gerüst und ich bemerke, wie ihr Blick an meinem nackten Oberkörper herabwandert. Ich habe den Tauchanzug geöffnet, um mich von der wärmenden Sonne trocknen zu lassen. Vielleicht ist es genau der Anblick, der sie angezogen hat. »Marie«, erklärt sie dann und streckt mir die Hand entgegen.
Ich bin nicht unhöflich, also erwidere ich den Handschlag, ehe ich mich wieder zurücklehne. »Nett, dich kennenzulernen«, entgegne ich beiläufig.
»Ich würde dich gerne noch viel besser kennenlernen, Logan«, flötet sie dann, als sie sich vor mir aufstellt. »Sollen wir heute Abend etwas trinken gehen? Die Bar in meinem Hotel ist hervorragend.«
»Danke, aber ich bin nicht interessiert.« Vielleicht hätte ich es netter sagen können, aber allein der Gedanke an Smalltalkgespräche lässt ein Gähnen meine Kehle hinaufkriechen. Ich kann es nicht ausstehen. Diese höflichen Formalitäten und das aufwändige Kennenlernen, in der immer wieder dieselben Fragen gestellt und dieselben Antworten gegeben werden … Ja, ich verpasse dadurch eine Gelegenheit auf Sex. Doch ich habe kein Interesse daran, die Gefühle meines Gegenübers zu verletzen, wenn ich noch am selben Abend verschwinde oder am nächsten Morgen früh abreise. Und das tue ich immer. Denn länger hat es noch nie jemand geschafft, mein Interesse auf sich zu lenken.
Das flirtende Lächeln auf Maries Gesicht weicht und wird durch ein formelleres ersetzt. »Okay. Trotzdem danke für den Ausflug.« Sie nickt mir leicht zu, ehe sie verschwindet und ich mich wieder dem Meer zuwende. Besser jetzt eine kleine Enttäuschung als später eine schwere Verletzung. Denn niemand von ihnen wird das in mir finden, was sie suchen.
© JenniferFortein 2024-03-02