50 Jahre lang 50 Zigaretten pro Tag

Jenny_Berg

von Jenny_Berg

Story

Vor 62 Stunden habe ich die letzte Zigarette geraucht, heute ist der dritte Tag meiner Zukunft. So, oder so ähnlich sollte ich stolz verkünden. Das Hirn hat es seit langem gewusst: irgendwann – und besser früher als später – muss Schluss sein. Mein Körper schert sich aber wenig um alles, was der Kopf sagt: zwischen „jo eh“ sagen und tatsächlich eine Konsequenz ziehen liegt eine unüberwindbare Distanz.

Wie alle Raucher umschleiche ich das Thema „Rauchen aufhören“ natürlich seit Jahren. Das gab mir Zeit viele Argumente zu sammeln. Es schmeckt mir und ich will ja gar nicht aufhören, ich bin eben süchtig und kann nicht einfach aufhören, ich will nicht zunehmen, ich habe Angst vor den Entzugserscheinungen, ich brauche Nikotin zur Beruhigung, zur Verdauung, zum Wohlbefinden, ich bin es so gewohnt, beim Autofahren, beim Kaffeetrinken, nach dem Essen, beim Nachdenken, wenn ich mich ärgere, wenn ich mich freue, wenn ich eine Pause mache, und überhaupt als Zeitmesser: „na, eine rauchen wir noch, bevor wir…“.

Komisch, denn ich weiß das alles natürlich noch, kann es aber nicht bestätigen. Am dritten Tag ohne Rauchen suche ich immer wieder den Tisch ab, nach dem Packerl mit dem Feuerzeug – stelle fest, es ist nicht da, denn ich WILL ja nicht mehr rauchen, und vergesse es wieder. Vorgestern für jeweils nur ca. 20 Sekunden, heute schon für ein paar Minuten! So schnell geht das.

Nachdem ich bei so gut wie allen Tätigkeiten immer geraucht habe, hilft mir viel Schlafen – das Einzige, was NICHT mit Rauchen konnotiert ist. Nicht essen, nicht rauchen, also mit einem Buch ab ins Bett bis die Augen zuklappen.

Woher kommt Hilfe bei meinem Vorhaben? In erster Linie von meinem Partner, der mitmacht! Ich sehe, wie er leidet und versuche ihm Stütze, Vorbild und Leidensgenossin zu sein. Es geht uns beiden nicht gut und wir können einander nicht nur verstehen, sondern auch durchtragen. Außerdem würde ich mich unendlich genieren, wenn ich aufgeben würde, wenn ich die Erste wäre, die heimlich wieder eine Zigarette raucht – das wäre Verrat, Betrug und Lüge. Mein Gewissen und meine Aufrichtigkeit ihm gegenüber halten mich aufrecht.

Auslöser war eine Erwähnung von Rauchentwöhnung mittels „Mesotherapie“. Daraufhin habe ich eine Nacht lang im Internet recherchiert und mir war klar, dass ich diese Wundertherapie ausprobieren will. Ein Cocktail aus Magnesium und Vitamin B wird mit Mikrokanülen in sechs „Suchtpunkte“ am Kopf gespritzt. Ich fand eine Ärztin in Wien, die diese Therapie anbietet und konnte einen Termin für uns beide vereinbaren. Ich glaube daran, also wirkt es – meine befürchteten Entzugserscheinungen wäre ohne sicher wesentlich schlimmer (denke ich mir – vergleichen kann ich es ja nicht!).

© Jenny_Berg 2021-11-07

Hashtags