6 – Die zwei Aquarien

Das hier ist ein guter Moment, um die Geschichte kurz zu unterbrechen, findet ihr nicht auch? Ich brauche eine kleine Pause, mein Hals ist schon ganz ausgedorrt vom ganzen Reden. Und ich brauch ein bisschen Zeit, um die Geschehnisse in Gedanken zu sortieren. Nicht alles ist es wert, geschildert zu werden, nicht alles muss hier Erwähnung finden. Aber keine Angst nach ein paar Schlucken Wasser kann es weiter gehen.

Vielleicht nutze ich die Zeit kurz, um zu erklären, warum ich euch diese Geschichte überhaupt erzähle. Möglicherweise fragt ihr euch schon, warum ihr mir eure Aufmerksamkeit schenken solltet, warum euch das Leben von Emy und dem neu gefundenen Baby interessieren sollte. Ihr könntet stattdessen das Internet nach Investitionstipps durchforsten. Emy und seine Welt sind fiktiv, steigende Renditen hingegen sind sehr real. 

Emy ist euch fern. Er hat nichts mit euch zu tun, er ist nicht einmal Mensch, sondern lebt unzählige Lichtjahre von euch entfernt (ihr könnt euch sicher noch an eure Reise aus dem ersten Kapitel erinnern). Ihr habt nichts mit ihm gemein. Ihr könnt nichts von ihm lernen, genauso wie er nichts von euch lernen kann und genau das ist doch das Schöne. 

Fiktion, die Kunst des Geschichtenerzählens, ist eine Tür von unserer in eine andere Welt. Beide Räume sind strikt getrennt wie in einem Aquarium. Auf der einen Seite seht ihr hungrige Piranhas, Haie und sonstige Raubfische. Währenddessen schwimmen im anderen Becken bunte Fische mit leuchtenden Farben und verschieden Formen. 

Fantasie entsteht nur auf blanker Fläche. Ein Buch wird nur auf leeren Seiten geschrieben. Was ich damit sagen will: Diese Geschichte dient der bloßen Unterhaltung. Es ist Ablenkung vom Alltag, nicht mehr und nicht weniger. Wer hier drin eine tiefgründige Bedeutung finden will, der wird enttäuscht werden. Denn sobald man beginnt seine reale Welt in die fiktive zu projizieren, wird die Fiktion zur Realität. Der Zauber geht verloren, das Glas zwischen den beiden Aquarien zerbricht. Die exotischen Fische werden von den uns bekannten Fischen verschlungen. 

Genießt die Geschichte, genießt die Auszeit, die sie in euer Leben reist. Lehnt euch zurück, schließt wieder die Augen, wenn ihr es nicht ohnehin schon getan habt. 

Bereit? Dann geht es jetzt weiter.