Abenteuerliche Lehrausgänge

Helga Trautsch

von Helga Trautsch

Story

Auch außerhalb der Schule gibt es einiges zu erleben. Unsere Lehrausgänge – kein Druckfehler – waren keine Leerausgänge. Sie gewährten den Kindern wertvolle Einblicke in die Welt der Erwachsenen.

In der U-Bahn erhob sich eine Gruppe Erwachsener als der mutmaßliche Leiter sprach: „Do samma jetza!“. „Welche Sprache ist das?“, fragte ein Kind. „Ich glaube, das soll Deutsch sein!“, flüsterte ich. Genau das Gegenteil erfuhren wir einige Wochen später. In einer Haltestelle wollte die Tür nicht aufgehen. „Bitte die Tür händisch öffnen!“ rief uns der Lautsprecher zu. Niemand rührte sich. Ich war zu weit vom Ausgang entfernt, um der Aufforderung Folge zu leisten. Da hatte ich eine Idee: „Mit die Händ miassen Sie’s aufmach’n“, rief ich laut, um die sich unwillig äußernden Fahrgäste zu übertönen und – siehe da – sofort war die Tür offen!

Einen anderen Lehrausgang werde ich auch nie vergessen. Es war ein heißer Tag, als wir an ein plätscherndes Bächlein gelangten. Kinder einer anderen Klasse wateten ohne Schuhe und Strümpfe durch das kühlende Nass. Auch meine Kinder durften es ihnen gleichtun. Da merkte ich zu meinem Entsetzen, dass Martina ihre Trinkflasche mitgenommen hatte. Auf meinen Zuruf sofort zurückzukommen, reagierte sie mit einem lauten „Nein!“. Als sie stehenblieb, um seelenruhig zu trinken, ging alles ganz schnell. Martina verlor das Gleichgewicht und saß mitten im Wasser. Ich lief sofort zu ihr, um sie und die Flasche zu retten. Bilanz des Tages: Ein nasser Rock, nasse Schuhe, eine erboste Großmutter und ein mahnender Brief des Bezirksschulinspektors, der mir eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorwarf.

Kürschad wollte beim Lehrausgang der Erste sein, der einen Radfahrweg überquerte. Da nahte ein Radfahrer. Es war zu spät, um ihn zu warnen, da schubste ich meine Handtasche vor seine voreiligen Füße und brachte ihn – Gott sei Dank – zum Stehen.

Michi übertraf die meisten Klassenkamerad:innenen an interessanten Ideen. Ich hatte die „Häupter meiner Lieben“ gezählt und eine brave Zweierreihe setzte sich Richtung Ausgang des Schönbrunner Tiergartens in Bewegung. Da hörte ich Michis Stimme begeistert rufen: „Wer kann am höchsten werfen?“ Und schon hatte er es geschafft, mit seiner Begeisterung einige andere mitzureißen. Nur hatte Michi in seinem Eifer außer Acht gelassen, dass ein hoher Kastanienbaum nur darauf gewartet hatte, mitzuspielen. Da hing sie nun, Michis Kappe! Sofort begriff er den Ernst der Lage. „Papa wird schimpfen!“, rief er unter Tränen und versuchte hinaufzuklettern. Einige Freund:innen schickten sich an, ihm zu helfen. Die beiden Begleitmuttis halfen tapfer mit, das Kletterkunststück zu vereiteln. Ein Tiergartenmitarbeiter zeigte sich wenig begeistert von meiner Bitte, den missglückten Höhenflug der Kappe zu beenden. Schließlich holte er die Ausreißerin mit Hilfe einer langen Leiter herunter. Der nächste Ausflug wurde nicht so lustig für Michi. Da kam der Papa nämlich mit…

© Helga Trautsch 2022-01-08

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