von Tealeaf
„Geeehen wir Gassi? Ja Gassi. Na komm Lausi.“ Wedelnd und außer sich vor Glück rennt das etwas außerirdisch aussehende Wesen zu mir. Lange dünne Beine. Winzige, auf und ab baumelnde Ohren. Große Augen auf einem etwas zu klein geratenem Kopf.
„Du bist wunderschön mein kleiner Engel.“ Und weiter gehts. Vor Freude rennt sie mir erstmals vor die Füße, damit ich ihr einen schönen Tritt geben kann und wir beide mit einem lauten Bumperer zu Boden fallen. „Oh nein. Es tut mir sooo leid. Habe ich dir weh getan?“ Erstmals eine lange Streicheleinheit, denn es war (selbstverständlich!) alles meine Schuld. Aber Schluss jetzt, wir müssen ja schließlich nach der, ihrem Blick nach zu urteilen zu kurzen zehnminütigen Kuschelsession, auch noch zum Spazieren kommen. Das Brustgeschirr bereit zum Anziehen. Brav kommt sie angedackelt. Stillzusitzen ist gerade ein aussichtsloser Kampf. „Ach deine süßen Tippi-Tappis. Brave Laus.“ Und schon ist das Geschirr an und wir sind bereit. Rechts, links, oben, unten. Natürlich lassen wir keinen Fleck unentdeckt. Doch dann geschah es: Wir haben ein Gänseblümchen zu wenig beschnüffelt. Also alle Mann umdrehen zur genaueren Begutachtung. Der Fünf-Minuten-Weg wird zum Stunden-Marsch. Die Begutachtung zur Observation. Das Gassi-Gehen zur Lebensaufgabe. Jetzt gehts aber ab nachhause zum Essen.
Ein durchdringender Blick. Verurteilend, skeptisch, beißend. Sie starrt mich an. Natürlich, wie konnte ich es wagen mein eigenes Essen vor ihrem anzurichten? Schnell tausche ich das Frühstücksei gegen eine Dose Hundefutter. Den Brotteller gegen eine Hundeschüssel. Mit stechenden Augen verfolgt sie jede meiner Bewegungen. Wieso sollte man auch seiner Privatköchin vertrauen? Das einzige, das diese drückende Stille unterbricht, ist das Magenknurren eines am Hungertod nagenden kleinen Hundes.
„Hier meine süße Maus. Huuuunger hattest du schon.“ Noch einmal Ohrlis streicheln und schon kann sie ihr Gericht mit einem Atemzug hinunterschlingen. Die Angst, sie würde ersticken kommt wie bei jeder Mahlzeit in mir hoch. Aber alles gut gegangen. Nach Luft ringen gehört wohl einfach dazu. Ob das bei jedem Hund so ist? Naja. Bisschen verfressen ist sie ja schon. Wie liebenswert! So jetzt habe ich ihr beim Essen zugeschaut, jetzt kann ich mit gutem Gewissen mein Frühstück herrichten. Ein Blick auf die Uhr. Verflixt! Ich muss los. Im Vorzimmer durchbohren mich Blicke. Am Ende des Ganges ein Häufchen Elend. Sie weiß, ich werde jetzt gehen. „Lausi, komm kuscheln. Ich bin nur zehn Minuten weg. Ich muss das Paket bei der Post abgeben, bevor sie zusperren. Es tut mir ja so leid. Schön brav bleiben.“ Die Trauer ist greifbar. Den Tränen nahe begebe ich mich auf den Teufelstrip. Was sie wohl in der Zwischenzeit macht?
In Windeseile das Paket abliefern und wieder ab nach Hause. Oje, schon ganze 15 Minuten. Stop-Schild? Egal. Ausnahmezustand. Strafaufhebungsgrund.
„Laaaaaausi ich bin zuhaaaause.“ Glücklich kommt das außerirdisch aussehende Wesen angehoppelt. Nächstes Mal behalte ich die zu klein geratene Jeans einfach!
© Tealeaf 2025-04-10