Als die Welt unterging

Gruver

von Gruver

Story

Als die Welt unterging, eines Vormittags so gegen zehn Uhr, saß ich an meinem Schreibtisch und versuchte mich an einem Haiku. Grau die Nebelwand. Die Sonne … Hm. Die Sonne … Ein Knall geben die Fensterscheibe lässt mich aufschrecken. Ein Vogel? Ich lasse meinen Haiku sein und schreibe lieber ein Gedicht! Es geht in etwa so. In die Stille ein dumpfer Schlag. Die Kontur eines Körpers, der auf Glas trifft. Ein Ton nur – bam. Mit einem Herzschlag die Beschaffenheit des Körpers. Blut, Federn, das rasende Herz, das den Sturz, der nun folgen wird erahnt. Ein jagender Löwe mit aufgerissenem, blutigem Maul auf einem Bildschirm ist nichts im Vergleich dazu. Ich lehne mich zurück und nenne es. Was sich vor meinem Fenster tut. Für einen Moment lang bin ich zufrieden mit mir und der Welt. Doch dann.

Noch ein Schlag gegen die Fensterscheibe, noch einer. Und der Himmel, durch all das schwarz und rot, der sieht auch irgendwie komisch aus. Nun, geht alles ganz schnell! Innen drin, ich spüre es schon, trotzdem wisch-wisch mein feuchter Finger auf dem Gerät immer griffbereit – nichts. Das Radio ist auch tot. Weltuntergang!?Ich liebe Weltuntergang! Aber, wenn das echt jetzt, also wirklich echt ist …äh, das ist schon einmal was ganz anders. Mein Herz rast, die Hand zittert. Oh, my God! OMG! Es ist real!

Adrenalin durchflutet meinen Körper wie eine Kneippkur. Ich springe auf, schrei irgendetwas, das selbst für mich unverständlich bleibt, nur um dann, wie ein Huhn ohne Kopf, durch die Wohnung zu rennen. Drehe am Radio herum, das Badewannenwasser auf und wieder zu, schaue in den Kühlschrank, suche Streichhölzer, Schokolade.

Denke: hatte ich nicht einmal eine Musikliste fĂĽr genau diesen Zweck? Mist, das Batterien Radio hat es wohl nur auf die to-do Liste geschafft! Nenne, den besten Weltuntergangssong aller Zeiten? Nein, nein, besser eine letzte Botschaft an meine Familie, meine Freunde: Ich liebe euch, danke fĂĽr alles, bitte verzeiht mir! Ach, Herrschaftszeiten noch einmal! Ich habe mich doch immer so darauf gefreut! Auf den Weltuntergang! Und jetzt kann ich nicht einmal einen klugen oder wenigstens einen klaren Gedanken fassen!

Zurück am Schreibtisch. Warum nicht sitzenden meinen letzten Moment verbringen? Ich schaue den Vögeln beim Fallen zu. Von oben nach unten und dann umgekehrt. Auch daran kann man sich schneller gewöhnen, als man denkt. Sehe wie der Himmel sich zuerst orange, dann lila und dann grün färbt. Fühle mich irgendwie erleichtert. Denke, What a wonderful world? Und: War doch ganz gut, oder?

© Gruver 2021-03-03

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