Ausflüge und Abschied vom Harz

Annemarie Baumgarten

von Annemarie Baumgarten

Story
Bad Harzburg und Schladen 1992

Die Bedienung im Molkenhaus, die mich an die Frau meines Vermieters erinnerte, kam an den Tisch und teilte uns mit, sie bringt nur Getränke, Essen müssten wir selbst holen. Das klang, als müsse jeder mit der Muttermilch aufgesogen haben, dass hier Selbstbedienung ist. Vielleicht gab es ein entsprechendes Schild. Man nimmt beim Eintreten nicht alles auf. Tagesgerichte und Angebote waren angeschrieben. Man konnte sich etwas zusammenstellen. Die Fernsehreihe „Rucksack“ drehte 1999 „Vom Brocken übers Molkenhaus.“ Die beiden Wanderer verzehrten Käse und bekamen vom Molkenhaus heißen Tee dazu. Meiner Kollegin wurde so eine Mahlzeit mal zum Verhängnis.

Amphibien und Reptilien: Beim Ausflug zur Schlangenfarm Schladen kamen wir erstmalig an Windrädern vorbei. Sehr bekannt war die Farm nicht, eine ausreichende Beschilderung fehlte. Wir mussten mehrfach fragen. Der Besitzer brachte einmal viele Tage mit Schlangen in einem Käfig zu – Weltrekord. Man konnte zu bestimmten Zeiten bei der Fütterung sämtlicher Raubtiere zusehen, gelegentlich auch, wie Schlangen Gift abgenommen wird, das für medizinische Produkte eingesetzt wird. Die Schlangen werden direkt hinter dem Kopf gepackt, sodass sich der Mund öffnet, und über ein Becherglas gehalten. Der Kiefer der Schlange verbeißt sich darin, Gift wird abgegeben. Es gab in der Farm auch Krokodile. Im Hotelzimmer hörten wir einen spannenden Vortrag über die Saurier und warum sie wohl ausgestorben sind. Wir wollten los. Die Sendung fesselte regelrecht. Das Weckradio funktionierte nur als Rundfunkempfänger. Eine Weckzeit war beim besten Willen nicht einstellbar.

An der Allee in Bad Harzburg wuchsen Kastanienbäume. Die Kastanien waren reif. Man hatte zu tun, keine der braunen Früchte auf den Kopf zu bekommen. Immer mal wurden Leute „getroffen“. Wildfremde Menschen warfen einander wütende Blicke zu, weil sie nicht glaubten, dass eine Kastanie den Treffer auslöste. Sie dachten wohl vielmehr, andere werfen mit Steinen.

Wir liefen durch einen Park und kamen an einem Teich vorbei über einen ansteigenden Weg zu einem Ausflugslokal. Man konnte sich dort aus dem Fischglas einen Fisch aussuchen, fangen und zubereiten lassen. Wir aßen eine Art Weißwurst mit Kartoffelsalat und hatten vom Freiluftlokal einen schönen Blick auf den Teich und die Natur, anschließend spazierten wir durch die grüne Lunge der Stadt. Eine Wanderung führte durch den Wald und den Ortsteil Westerode.

Am letzten Abend liefen wir unschlüssig durch die Stadt und lasen vor mehreren Lokalen die Speisenkarten durch. Nichts sagte uns zu – zu viel, zu teuer. Schließlich betraten wir eine Wohngebietsgaststätte. Jeder Gast wurde mit Handschlag begrüßt. Wir wollten wenig, hatten aber erneut kaum bezwingbare Portionen auf den Tellern. Die Wirtsleute gingen am nächsten Tag in Urlaub. Das bekamen wir dadurch mit, dass Stammgäste ihnen gute Erholung wünschten.

© Annemarie Baumgarten 2024-06-24

Genres
Reise, Essen & Trinken
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