„Aber Berti kommt auf alle Fälle mit!“, meinte Franz beim Abendessen, zu seinem Vater. Dieser schwieg. Franz’ Schwester Paula schüttelte leicht den Kopf.
„Mama! Berti kommt auf alle Fälle mit!“, wiederholte Franz, indem er sich seiner Mutter zuwandte. Doch er brauchte nun gar keine Antwort mehr: Elisabeth hatte Tränen in den Augen. „Franz…“, sagte sie, in einem leisen, sanften Tonfall. „Du weiĂźt ja, dass wir gar nicht viel mitnehmen können. Und dass wir noch nicht einmal wissen, wo wir unterkommen.…“ Franz war vom Tisch aufgesprungen und ins Kinderzimmer gelaufen. Sein Herz pochte heftig und angstvoll. Berti war in seinem neunjährigen Leben stets an seiner Seite gewesen; es gab keine Erinnerung an ein Leben ohne ihn. Im Garten tollte Franz gerne mit Berti herum; oft umarmte er ihn und kuschelte sich in sein weiches, dunkelbraunes Fell. Er liebte es, wenn Berti an ihm hochsprang, zur BegrĂĽĂźung; mit dem Schwanz wedelte und aufgeregt bellte. Berti lag auf dem Teppich vor seinem Bett, wenn Franz krank war; und wenn es in der Schule Probleme gegeben hatte, flĂĽsterte er diese Berti immer zu. Berti verstand alles.
Franz weinte heiße Tränen, um seinen Berti. Es interessierte ihn wenig, dass er in einigen Tagen mit seinen Eltern und seiner Schwester die Heimat verlassen würde. Sie würden weggehen, hatte es geheißen; sie hätten keine andere Wahl, waren sie doch ihres Hauses, Gartens, des Geschäfts beraubt worden. Die Existenz der Familie war zerstört. Die Eltern hatten entschieden, das Land zu verlassen, um nicht zwangsangesiedelt und auch noch ihrer Sprache und Kultur beraubt zu werden. Franz konnte sich nicht vorstellen, was ihn in einem fremden Land erwartete. Und ein Leben ohne Berti wollte er sich nicht vorstellen.
Irgendwann schlief er ein, erschöpft vom vielen Weinen.
Die Eltern diskutierten nun, zwei Tage vor der Abreise, ständig darüber, was sie mitnehmen mussten, konnten; was unbedingt in die paar Gepäckstücke und den großen Strohkorb für diverse Dinge und einige wertvolle Stücke aus dem Hausrat musste. Berti verhielt sich in dieser geschäftigen Atmosphäre außergewöhnlich ruhig. „Morgen bringe ich ihn zu den Zieglers!”, hatte der Vater zu Franz gesagt. „Die nehmen ihn, Gott sei Dank! Das sind liebe Leute. Berti wird es sicher gut gehen, bei ihnen. Kommst du mit, morgen, wenn ich ihn hinbringen?” Franz schüttelte den Kopf. „Ich komme mit!”, erklärte Paula forsch. Auch für sie war der Abschied von Berti schwer; aber sie verstand eher, warum sie den Hund nicht mitnehmen konnten, auf ihrer Reise ins Unbekannte.
Franz kuschelte sich ein letztes Mal in Bertis Fell. Er verließ knapp nach seinem Vater, Paula und Berti das Haus und begab sich in das Wäldchen. Dort schaufelte er ein kleines Grab. Legte im Geiste seinen Berti hinein; schmückte die Stelle dann mit Blumen. Dies schien ihm die richtige Art des Abschiednehmens.
Franz wollte später nie mehr einen Hund haben. Er passte aber sehr gerne für eine Weile auf fremde Hunde auf.
© Roswitha Springschitz 2022-09-26