von Christina Oskui
Mein Opa war eher so der kernige Typ, wenn ich ihn nach einem Bonsche fragte, bekam ich nicht etwa einen „Werthers Echte“, nein, ich bekam einen Eukalyptus Menthol Bonbon, die für Kindergaumen damals schon, lange vor „Fishermans Friend“, die „Fishermans Friend“ waren, also der TURBO-schärfste-Bonsche. Ich war für meinen Opa dennoch etwas „ganz Besonderes“, denn ohne dass er es mir je gesagt hätte, traute er mir im zarten Alter von vier Jahren zu, dass ich so einen Bonsche vertragen konnte. Ich nehm´ ihm das nicht übel, schließlich war er ein starker Raucher. Die dicksten Havannas hingen in seinem Mundwinkel und ich hing an seinen Lippen, wenn er denn ab und zu was sagte. Manchmal brummelte er einem Fußgänger ein schlichtes: „Moin“ entgegen, der seinen Weg kreuzte, mehr nicht. Und ich staunte, wie der Zigarrenstummel ungerührt in seinem Mund blieb. Wenn er es sich dann abends gemütlich machte, rauchte er seine Pfeife, dazu gehörten natürlich spezielle Utensilien, die wir Kinder neugierig in Augenschein nahmen, als er das mitkriegte, sagte er nur: „Wenn du da die Finger hereinsteckst, sind die ab!“ Also fassten wir den Zigarrenknipser nicht mehr an, aber der Aschenbecher mit Drehmechanismus ließ uns nicht in Ruhe. Wir drückten den goldenen Knauf runter und die Karussellfahrt konnte beginnen. Es versuchte immer eine von uns dreien schnell genug die Finger hereinzustecken, um den Inhalt, der uns ja immer verborgen blieb, herauszubefördern. Das Einzige, was sich in Bewegung setzte, war die kalte Asche, die uns entgegenflog. Nachdem wir davon eine gehörige Ladung inhaliert hatten, nahmen wir uns selbst einen von den Eukalyptus-Bonschen aus seinem Sekretär und fühlten uns Erwachsen. Als ich lange nach dem Tod meines Opas, die Werbung zu „Fishermans Friend“ sah, mit dem Slogan: „Sind sie zu stark, bist du zu schwach!“, war es für mich, wie ein Gruß aus dem Jenseits. Dieser eine Satz sprach das aus, was ich schon die ganze Zeit wusste, mein Opa fand mich stark! So traute ich mir mit fünf Jahren zu, mit seinem alten Herrenfahrrad zu fahren. Es ist zwar bis heute nicht daran zu denken, dass ich auf ein 28 er Herrenfahrrad ohne fremde Hilfe rauf komme, aber im Gegensatz zu heute, löste ich das Problem, in dem ich mich auf die Pedale stellte, die Stange auf meiner Schulte ruhte, ich das Fahrrad in Schieflage brachte und munter los eierte. Durch die Gärten, der Jagdbahnkoppel, an der Horner Rennbahn. Schließlich hatte ich damals noch keinen Fahrradhelm und immer wenn ich mir Opas Rad schnappte und doch übermütig meine Runden drehte, knallte mir die Stange an den Kopf. Und jetzt keine Kommentare, schließlich war ich nicht aus Zucker und in Watte gepackt, aufgewachsen. Bei uns hat noch keiner darauf aufgepasst, dass man nicht passiv mitrauchte. Mein Opa quazte seine Zigarren nach Lust und Laune. Wenn ich von der Schule kam, sah ich zunächst Opas Fahrrad im Garten stehen und auf dem Weg zu unserer Haustür, vernahm ich schon den Zigarrengeruch. Ich ging ins Haus, wie in eine andere Welt, hindurch durch blauen Dunst und Nebelschwaden. Obwohl ich längst das Rauchen angefangen und auch wieder aufgehört habe, schnuppere ich immer noch gerne kurz Zigarrenrauch, aber nur die echten Havannas! Das ist wie mit den Bonschen, denn sind sie zu stark, bist du zu schwach!
© Christina Oskui 2024-02-07