Böser Ort in Flensburg: Schrangen und Pranger

Willi_Schewski

von Willi_Schewski

Story
Flensburg 1663 – 1848

Als ich durch die Flensburger Altstadt schlenderte und den Nordermarkt besuchte, konnte ich ihn sofort sehen: den Schrangen, der im 16. Jahrhundert erbaut wurde. Direkt davor stand der Neptunbrunnen, ein ebenso historisches Gemäuer. Hinter dem Schrangen ragte die mächtige St. Marienkirche empor. Der Schrangen in Flensburg war der einzige noch erhaltene in Schleswig-Holstein. Hier, im und um den Schrangen herum, florierte im Mittelalter reger Handel. Doch es gab auch düstere Machenschaften, die heute wohl als kriminell bezeichnet werden würden, denn am Schrangen befand sich der Pranger – ein schauriger Ort.

Auf den ersten Blick erschien der Flensburger Schrangen mit dem Nordermarkt als bedeutender Handelsplatz. Als „Schrangen“ wurde damals ein Tisch oder eine Bank bezeichnet, auf der Fleisch oder Brot zum Verkauf angeboten wurden. Zahlreiche Kaufleute siedelten sich hier im Mittelalter an, und es entwickelte sich ein reges wirtschaftliches Treiben. Der Nordermarkt und der nahe gelegene Flensburger Hafen spielten eine wichtige Rolle im Handelsgeschehen. Der Schrangen war somit ein zentraler Ort fĂĽr den Austausch von Waren.

Doch bei genauerer Betrachtung offenbarte der Schrangen einen düsteren Aspekt: Er war der Pranger des Kirchspiels. Spuren davon sind bis heute sichtbar. Im Mauerwerk des südwestlichen Gebäudepfeilers findet sich eine verankerte Metallöse, unscheinbar und vom Rost überzogen. Diese Öse hatte einen finsteren Zweck: Hier wurde das Halseisen befestigt. Der Pranger war eine öffentliche Einrichtung zur Folter und Bestrafung, die in vielen deutschen Städten und Gemeinden verwendet wurde. In Flensburg befand sich dieser am Schrangen.

Er bestand aus einem hölzernen Gestell, in dem der Verurteilte festgeschnallt wurde und dann vor dem Rathaus oder auf dem Marktplatz zur Schau gestellt wurde. Die Strafe konnte aus Schlägen, Peitschenhieben oder anderen Formen körperlicher Misshandlung bestehen. Der Pranger diente auch dazu, Menschen zu demütigen und sozial zu ächten.

Die Namen der Verurteilten, die in den Gerichtsakten der Stadt Flensburg auftauchen, zeugen von der Grausamkeit und Erniedrigung, die mit dem Pranger verbunden waren. Einer der bekanntesten Verurteilten war Mette Osthave, nach der später ein Café am Nordermarkt 6 benannt wurde. Eine Tafel am Gebäude erinnert an ihr Schicksal.

Der Pranger war ein dunkles Kapitel in der deutschen Geschichte, das an eine Zeit erinnert, in der Menschen öffentlich für ihre Verbrechen zur Schau gestellt und bestraft wurden. Heute steht er als Mahnmal gegen die Willkür der Obrigkeit und für die Rechte des Einzelnen.

Trotz der modernen Ă„chtung des Prangers existieren ähnliche Formen der öffentlichen VorfĂĽhrung bis heute: In den Medien werden tatsächliche oder vermeintliche Straftäter zur Schau gestellt. Dieser „Medien-Pranger“ ist eine der vielen Schattenseiten der modernen Internet-Welt.

© Willi_Schewski 2024-01-30

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