»Keine Zeit?« Der Kobold schnalzte theatralisch mit der Zunge und schüttelte bedauernd den Kopf. »Ts, ts, was für ein trauriger Zustand für einen jungen Zwerg. Aber wie wäre es, wenn ich dir ein kleines Angebot mache?« Seine klauenartige Hand tauchte flink in den Beutel an seiner Hüfte, und als sie wieder hervorkam, hielt er einen winzigen, aber makellos geschliffenen Rubin zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Edelstein glühte im schummrigen Licht des Tunnels wie eine lebendige Flamme und schien das Dunkel um sie herum zu durchdringen.
Brimor spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte. So einen Stein hatte er noch nie gesehen. Perfekt in Form und Farbe, mit einer Tiefe, die ihn fast zu rufen schien. Sein Vater würde für einen solchen Rubin zweifellos ein Vermögen verlangen können. »Und was willst du dafür?«, fragte Brimor, seine Stimme einen Hauch misstrauisch, obwohl seine Augen fasziniert auf dem Edelstein hafteten.
Der Kobold grinste und zeigte dabei erneut seine nadelspitzen Zähne. Sein Gesicht, faltig und doch lebendig, wirkte plötzlich noch hinterlistiger. »Ach, nichts Großes! Wirklich! Nur einen winzig kleinen Gefallen.« Er hielt den Rubin hoch, sodass sein feuriges Leuchten Brimor noch stärker ins Auge stach. »Dieser prachtvolle Stein – für eine Kleinigkeit, die du für mich erledigst.«
Brimor zog die Stirn kraus und versuchte seine Begeisterung zu verbergen. »Was für einen Gefallen?«, fragte er langsam.
»Oh, nichts Schwieriges, ich verspreche es dir!« Der Kobold machte eine dramatische Pause, legte die Hand an seine Brust, als schwöre er einen heiligen Eid. »Du musst nur etwas für mich finden. Ein Stein. Ein kleiner, ganz unscheinbarer Kristall, der mir abhandengekommen ist. Ich weiß genau, wo er liegt, und du brauchst ihn nur zu holen und mir zu bringen. Ganz einfach.«
Brimor blieb skeptisch, doch er konnte nicht verhindern, dass ihn der Gedanke an den Rubin reizte. Sein Vater würde stolz auf ihn sein, wenn er mit einem solchen Schatz zurückkehrte. Und … Abenteuer. Das Wort kribbelte in seinem Magen, weckte eine seltsame Aufregung, die er nicht ganz unterdrücken konnte. Dennoch blieb ein nagendes Unbehagen. »Warum holst du ihn nicht selbst?«, fragte er misstrauisch.
»Ach, das ist eine lange Geschichte!«, rief der Kobold aus und wedelte mit der Hand, als wollte er die Frage beiseite wischen. »Sagen wir einfach, meine Größe – oder besser, meine Gestalt – ist nicht ideal für die Aufgabe. Aber ein starker, cleverer Zwerg wie du? Perfekt geeignet! Und als Belohnung …« Er ließ den Rubin vor Brimors Gesicht baumeln, sodass das flackernde Licht ihn wie lebendiges Feuer tanzen ließ.
Brimors Blick wanderte wieder zu dem Rubin, dann zurück zum Kobold. Schließlich seufzte er, ein Ausdruck zwischen Frustration und Abenteuerlust auf seinem Gesicht. »Na gut«, sagte er zögernd, »sag mir, wo dieser Stein ist.«
© Kreative-Schreibwelt 2025-01-24