Der Morgen in den tiefen, funkelnden Höhlen von Schattenfels startete wie immer: mit dem stetigen Klirren der Hämmer, dem lebhaften Geschwätz der Händler und dem beißend-süßen Duft von glühender Kohle und frisch geschmiedetem Metall. Brimor Schattenfels schlurfte verschlafen die breite, ausgetretene Steintreppe runter. Bei jedem Schritt auf den abgewetzten Stufen schwelgte er in Erinnerungen an früher, als die Höhlen noch in warmem, goldenem Licht strahlten. Aber heute lag eine seltsame Spannung in der Luft, die er nicht richtig fassen konnte.
Schon vor der wuchtigen Holztür des Familiengeschäfts merkte er, dass was faul war. Ein leises, bedrohliches Raunen drang zu ihm durch, untermalt vom üblichen Marktlärm. Plötzlich dröhnte ein donnerndes »Verflixt und zugenäht! Gespaltener Saphir und angelaufenes Gold!« von drinnen. Brimor zuckte erschrocken zusammen, sein Herz stolperte vor Schreck. Sein Vater Garim, normalerweise die Ruhe selbst, klang heute wie ein Gewitter, das gleich alles umpflügen würde.
Zögernd, aber mit einem neugierigen Funkeln in den Augen, drückte Brimor die Tür auf. Der Anblick drinnen war ein einziges Chaos: Holzspäne bedeckten den Boden wie Herbstlaub, als hätte ein Tornado den Laden durchgewirbelt. Regale, die normalerweise vor glitzernden Edelsteinen überquollen, standen jetzt leer und verlassen da. Ein paar Kisten waren aufgeknackt, und das feine Stroh, das die Steine schützen sollte, lag wild verstreut herum.
Mitten im Chaos thronte Garim, breit und wuchtig, die Fäuste so fest geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sein Gesicht glühte feuerrot, als hätte er einen Schluck Lava genommen, und sein sonst penibel geflochtener Bart stand wirr in alle Richtungen ab. Mit einer Stimme, die wie ein Donnerschlag durch den Laden hallte, brüllte er: »Brimor! Was zur Hölle ist hier los? Wo sind die Rubine?!«
Brimor wich einen Schritt zurück, seine Augen weiteten sich vor Schreck, aber ein winziges Lächeln zuckte in seinem Mundwinkel. Trotz der Wut, die in der Luft knisterte, kribbelte in ihm auch ein Hauch von Abenteuerlust. »Die Rubine? Du meinst die Kiste, die gestern noch hier war – randvoll mit den seltenen, glänzenden Rubinen für Meister Benrom, stimmt’s?«
Garim stampfte mit seinen klobigen Stiefeln auf den abgewetzten Boden, dass es nur so krachte und der ganze Laden zu beben schien. »Genau die! Sie ist weg, wie vom Erdboden verschluckt! Kapierst du, was das für uns heißt? Wenn Meister Benrom rauskriegt, dass wir nicht liefern können, ist unser Ruf im Eimer – und unser Stolz gleich mit!« Seine Worte schnitten wie ein scharfes Zwergenbeil durch die Luft, und seine Augen blitzten vor blanker Wut.
Brimor hielt kurz im düsteren Licht des Ladens inne, seine Augen huschten flink über den Boden. Zwischen den verstreuten Holzsplittern und dem zerwühlten Stroh fielen ihm plötzlich feine, aber klare Kratzer auf, die kreuz und quer über die Steinfliesen liefen. Er ging in die Hocke und strich vorsichtig etwas Stroh beiseite, um die feinen Kratzer genauer zu checken – wie ein echter Profi-Detektiv.
© Kreative-Schreibwelt 2025-04-18