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Sonja M. Winkler

von Sonja M. Winkler

Story

Auf der Seite des Impressums finde ich den Vermerk, dass Weihrauch so wie Haschisch den Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, kurz THC, enthalte. Dr. Google belehrt mich: Der berauschende Nachweis stehe bis dato noch aus, wohl aber wisse man, dass Weihrauch eine psychoaktive Wirkung zeitige, was im Klartext bedeutet, dass er beruhigt und gewisse Gemütsaufwallungen dämpft.

Mein Interesse an Weihrauch verdank‘ ich einem Zufall:

Ich streife durch den Lainzer Tiergarten, ursprünglich in der Absicht, meine Lücken in Sachen Fauna und Flora zu schließen. Den Lehrpfad säumen Schautafeln.

Käuzchen, Specht und Kleiber, die erste Lektion. Carlos Kleiber. Neujahrskonzert 1989. Ich. Damals. In einem privaten Schlamassel. Numquam retro. Lieber in Erinnerungen schwelgen an unseren „Lehrer Doktor Specht“. Die Fernsehserie lief in den 1990er-Jahren im Vorabendprogramm, und ich sah sie oft mit meinem Sohn. Ich hatte eine Schwäche für Robert Atzorn.

Grauspecht, Buntspecht, Wendehals. Ich weiß jetzt, dass der Specht deswegen so munter drauflos hämmert, ohne Kopfschmerzen zu kriegen, weil sein Körper ein eingebautes Stoßdämpfersystem hat, das den Aufprall fast zur Gänze abfedert. Außerdem ist sein Gehirn eng in die Schädeldecke eingepasst und schwimmt nicht so wie meines im Hirnwasser.

Hurtig gehe ich weiter und wundere mich über den Verbleib der Wildschweine. Nicht dass ich mich nach einer Begegnung sehnen würde, aber normalerweise haben sie keine Berührungsängste. In der Nähe des Nikolaitors lese ich, dass die unteren Eckzähne des männlichen Wildschweines, des Keilers also, Haderer heißen.

Tags darauf erwähn‘ ich dieses Kuriosum meinem Sohn gegenüber. Er geht zum Bücherregal und drückt mir das neben dem „dicken Deix“ stehende schmächtige „Leben des Jesus“ in die Hand, verfasst und illustriert von Gerhard Haderer. Der mediale Tumult vor fast 20 Jahren, als das Buch erschien, ist mir zwar noch erinnerlich, aber gelesen hab ich’s erst jetzt. Haderer wurde damals angezeigt und der Blasphemie bezichtigt. Die Anklage wurde jedoch fallengelassen.

Er zeichnet Jesus als ein aufgewecktes Bürscherl, das früh Gefallen findet am Duft des Weihrauchs. Kaum ziehen die Heiligen Drei Könige von dannen, klopft sich Vater Josef auf die Schenkel vor Freude über die vier Goldzähne, die sich einer der Weisen auf dem Weg zur Krippe ausgebissen und als Mitbringsel da gelassen hat. Josef macht sie zu Bargeld und investiert in eine Zimmerei. Jesus schnüffelt fleißig Weihrauch, dessen psychodelische Substanz ihm besondere Strahlkraft verleiht, die ihn in höhere Sphären katapultiert. Er wird zum Wohltäter und wirkt Wunder, bis er am Ende in den Himmel fährt und auf einer Wolke landet, die, wie kann es anders sein, aus purem Weihrauch ist.

Bei mir steht heut‘ noch eine kultische Handlung auf dem Programm. Räuchergefäß, Kohle und eine zartgelbe Weihrauch-Myrrhe-Mischung liegen bereit. Über positive Nebenwirkungen wird berichtet.

© Sonja M. Winkler 2020-12-06

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