Chasing Cars

Beate Schilcher

von Beate Schilcher

Story
Dublin Glasgow Seattle

Was hat eine Verfolgungsjagd mit entspanntem Herumliegen zu tun? Nichts natürlich. Aber es gibt Leute, die beides in eine Ballade packen und daraus einen Welthit machen. Sowas kann nicht jeder. Nur für den Lichtkörper einer Schneepatrouille ist das kein Problem.

„We’ll do it all / Everything / On our own. / We don’t need / Anything / Or anyone.“ – Ja! So beginnt ein wĂĽrdiges Liebeslied: Nur du und ich, pfeifen wir auf den Rest der Welt. Eine einfache gesungene Melodie, dazu die E-Gitarre gezupft. Bemerkenswert schlicht. Es singt Gary Lightbody (= Lichtkörper), Lead Sänger der schottisch-irischen Rockband Snow Patrol. UrsprĂĽnglicher Bandname: Polarbear. Wie kommen die bloĂź auf solche Bandnamen? Mögen die Schnee, oder laufen sie einfach gerne in der Kälte herum? Chasing Cars veröffentlichen sie 2006, im Studioalbum „Eyes Open“ (Platz 1 der britischen Charts). Der Song ist bis heute die meistverkaufte Single der Schneemänner und ihr Durchbruch in den USA. 2006 schaffen sie es damit ins Staffelfinale der Fernsehserie Grey’s Anatomy.

„If I lay here / If I just lay here / Would you lie with me and just forget the world?“ – Der Refrain holt uns zurĂĽck in die Englischstunde: HeiĂźt es lay oder lie? Gary weiss es auch nicht: „I don’t quite know / How to say / How I feel.“ – Aber ihm ist folgendes klar: „Those three words / Are said too much / They’re not enough.“ – Wenn das kein wohltuend einfĂĽhlsames Statement zum Thema Liebe ist, dann weiĂź ich auch nicht. Weiter geht’s, zum Kopfkino: „Forget what we’re told / Before we get too old / Show me a garden that’s bursting into life.“ – Schon taucht der blĂĽhende, das Leben feiernde Garten der Liebe vor unserem inneren Auge auf. Und genau jetzt kommt es, das Paradoxon: „Let’s waste time / Chasing cars / Around our heads.“ – ??? Wieso plötzlich eine Auto-Jagd, wenngleich nur im Kopf? Wikipedia erklärt: Lightbodys Vater habe, als sein schĂĽchterner Sohn einmal sehr verliebt war, zu ihm gesagt: „Du bist wie ein Hund, der ein Auto jagt. Du wirst es nie einholen – und selbst wenn, wĂĽrdest du nicht wissen, was du damit anfängst.“ Interessanter pädagogischer Zugang zum aufgewĂĽhlten GefĂĽhlsleben eines Familienmitglieds. Aber Chasing Cars war nicht der erste und wird nicht der letzte Song sein, der familiensystemische Themen kreativ abarbeitet. Ein GlĂĽck, dass der Sohn die Kurve bravourös genommen hat: „I need your grace / To remind me / To find my own.“ – Vielleicht braucht es solche Väter, um aus tiefem Seelengrund heraus musikalische Bestseller zu schreiben. „All that I am / All that I ever was / Is here in your perfect eyes, they’re all I can see“ – Herausforderungen machen uns ja stärker. Sofern wir sie ĂĽberleben. So hat Lightbody schon im DebĂĽtalbum (2004) einen alkoholischen Totalabsturz (die Treppe hinunter, ausgeschlagene Zähne inklusive) in den platinfarbenen Hit Run verwandelt. Der Mann kann Schikanen echt gut verwerten. – Ăśber Chasing Cars sagt Lightbody: „Es ist das reinste Liebeslied, das ich je geschrieben habe. Es gibt kein Messer-im-RĂĽcken-GefĂĽhl. Das hat mich selber gewundert. Alle anderen Liebeslieder haben einen dunklen Beigeschmack.“ – „I don’t know where / Confused about how as well / Just know that these things will never change for us at all.“

Fazit: Herumliegen und die Welt vergessen schadet nie. Derart gestärkt, können wir später immer noch einem Auto hinterherlaufen.

© Beate Schilcher 2024-08-19

Genres
Anthologien
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Informativ, Inspirierend, Reflektierend
Hashtags