Das »La Perla« lag hinter mir, während ich die glänzende Fassade der Oberstadt verließ. Die Straßen hier, so makellos wie die Gesichter der Eliten, wirkten wie aus einer klinischen Simulation. Keine Kratzer auf den Autos, keine Ecken voller Dreck, nicht einmal der Regen traute sich wirklich, die Oberflächen zu beflecken. Ich zog den Kragen meiner Jacke enger um meinen Hals und spürte die Worte, die Westmore eben im Café von sich gegeben hatte, immer noch wie einen faulen Nachgeschmack. Die Firma. »Metatronic Industries«. Computer-Systeme, die Dinge tun konnten, die sie niemals sollten. Zugriffsrechte, die keinem Menschen zustehen. Mit jedem Schritt schien der Fall absurder zu werden – und gefährlicher.
»Westmore war ja die Ruhe in Person, oder?« Kai ließ ihre Stimme mit einem sardonischen Unterton durch meine AR-Brille dringen, der nicht zu überhören war. »Ich wette, er wird seinen nächsten Kaffee mit einem milden Nervenzusammenbruch genießen. Wahrscheinlich hat er jetzt Albträume von Kaffeebohnen mit Metatronic-Logos drauf.«
»Ja, Kai, ich hab’s ja kapiert«, brummte ich, während ich die regennasse Straße überquerte. »Irgendwas an dem Typen passt nicht, aber ich kann noch nicht sagen, was. Er wirkt so verängstigt, dass es schon verdächtig ist.«
»Subtilität ist eben nicht jedermanns Sache«, entgegnete Kai mit gespielter Nachsicht. »Aber hey, zitternde Hände und Schweißausbrüche in einem hochpreisigen Café sind ein mutiger Modetrend. Der Mann ist ein wandelnder Panikschub. Vielleicht sollten wir ihn auf eine Entspannungs-App aufmerksam machen.«
Ich bog um eine Ecke und blieb plötzlich stehen, als das massive Gebäude vor mir auftauchte. Hoch über mir prangte das glänzende Logo, das mich wie ein kalter, stählerner Blick traf: »Metatronic Industries«. Sie waren das Herz und die Seele der Stadt, wenn es um künstliche Intelligenzen und Überwachung ging – oder eher der kalte Maschinenkern. »Wegweisend« nannten es die Medien, »bedrohlich« wäre das Wort, das mir eher einfiele. Kein Zufall, dass Westmore gerade diese Firma erwähnte. Ich schnaubte leise und ging weiter, während der Regen leise auf den Gehsteig trommelte.
Und dann sah ich ihn.
Diesen Typen. Ruhig und gelassen lehnte er an einem schlanken, schwarzen Gleiter. Sein Anzug war makellos. Sein Gesicht – glatt, ausdruckslos, wie aus Stein gehauen. Nur die Augen verrieten etwas: Sie fixierten mich mit einem Blick, der sagte, er wüsste, dass ich nach Antworten suchte.
»Sieh mal einer an«, sagte Kai und ließ seine Stimme leicht schwellen, als wäre er ein Boulevardreporter auf einer High-Society-Party. »Dieser Typ sieht aus, als hätte er gerade eine exklusive Versammlung der Silicon-Valley-Götter verlassen.«
Ich verengte die Augen, verlangsamte meine Schritte und musterte ihn, während ich näher kam. Er schien keine Eile zu haben. Nein, er war zu entspannt, als ob er genau wüsste, dass er hier auf mich treffen würde. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich besser aufpassen sollte.
© Kreative-Schreibwelt 2024-11-27