Danke, Linz!

Annika Höller

von Annika Höller

Story

Und dann ist er da. Der letzte Tag. Ich habe es geschafft. Alle neun Linzer Stadtwanderwege liegen hinter mir. Ein weiteres Wanderabenteuer geht zu Ende. Und macht Lust, auf viele weitere. Langsam löst das Surren der Straßenbahn wieder das Vogelgezwitscher ab und meine Wanderschuhe treten auf Asphalt. Vor mir sind wieder Häuser statt Bäume. Und in mir breitet sich eine wohltuende Ruhe aus.

Ich erinnere mich an jenen Tag, an dem ich den ersten Stadtwanderweg in Angriff nahm. Der Himmel war wolkenverhangen, so mancher Regentropfen verirrte sich auf meinen Rucksack oder landete auf dem Stadtplan aus Papier. Der Wind brauste über die Dächer und es wollte nicht richtig Frühling werden. Jetzt ist der Himmel über mir azurblau, ich sehe Menschen mit Eistüten in der Hand und auch die Gastgärten sind wieder bevölkert. Es riecht nach Sonnencreme und guter Laune.

„Every summer has its story“ lautet ein bekannter Spruch, jeder Sommer hat seine eigene Geschichte. Für mich hat aber bereits dieser Frühling seine ganz besondere Geschichte. Es ist eine Geschichte voller Wanderungen, Entdeckungen, Erkenntnisse und Begegnungen. Mit der Stadt. Mit der Natur. Mit anderen. Mit mir selbst.

In den vergangenen Wochen bin ich ganz oben gewesen. Auf Gipfeln und Bergen. Und ganz unten. Bei der Donau und bei Seen. Ich bin gegangen. Alleine. Schritt für Schritt. Manchmal schneller. Manchmal langsamer. Manchmal weiter als geplant. Manchmal wieder ein Stück zurück. Und ich bin fasziniert gewesen. Und bin es immer noch. Von traumhaften Plätzen. Von der unberührten Natur mitten in der Stadt. Von Ausblicken wie auf einer Alm. Von liebevoll verzierten Portalen und Vorgärten. Von leuchtenden Blumen und plätschernden Bächen. Von historischen Plätzen und verlassenen Häusern. Von meiner eigenen Vergangenheit, die mich unterwegs aufgespürt hat. Von freundlichen Menschen und interessanten Gesprächen. Von verliebten Pärchen am Ufer oder auf einer Parkbank. Von meiner eigenen Einsamkeit, die sich in ein Glücksgefühl verwandelt hat. Von Schmetterlingen, die sich einfangen haben lassen. Von schwarzen Flecken auf meiner innerlichen Landkarte, die durch reale Bilder ersetzt worden sind. Von zauberhaften Zufällen. Von kleinen Momenten der Dankbarkeit und Verbundenheit. Von Einladungen zum Hinsehen, Hinspüren und Innehalten. Von winzigen Enten und mächtigen Bäumen. Von neuen Rollen, die mir zugeschrieben worden sind. Von Erinnerungsfetzen aus meiner Kindheit. Von Tagträumen und Zukunftsplänen. Mit oder ohne dich.

Ich habe dich neu kennengelernt. Bin auf deinen Wegen gewandert. Von deinem Herzen bis zu deinen Extremitäten. Von außen nach innen. Von oben nach unten. Und umgekehrt. Ich habe dich aus einer neuen Perspektive betrachtet. Habe mich ganz auf dich eingelassen. Auf deine Straßen. Plätze. Wälder. Menschen. Habe mich von dir berühren lassen. Habe dein Innerstes erforscht. Und habe dabei auch mein Innerstes erforscht.

Danke, Linz!

© Annika Höller 2021-06-08