von Sonja M. Winkler
Bis zum Sommer 2009 hatte ich keine Ahnung, was man unter Romance Scam versteht. Da ich bis dahin nie über diesen Begriff gestolpert war, rechnete ich auch nicht im Entferntesten damit, dass ich je ins Netz eines Romance Scammers geraten würde. Ich doch nicht. Der Zustand meiner Verwirrung dauerte Gott sei Dank nicht lange an. Ich bekam bald ein mulmiges Gefühl. Im Nachhinein sah ich, es war haarscharf so, wie im Internet zu lesen ist, wenn man Romance Scam, Love Scam oder Nigerian Lads googelt.
Im Juli 2009 loggte ich mich bei Parship ein. Eine der ersten Zuschriften war in englischer Sprache abgefasst. Stilistisch gewandt, fehlerfrei. Ich schrieb zurück, weil ich mein Englisch vor dem Einrosten bewahren wollte. Er nannte sich Danny, hatte Pharmazie studiert, war geschieden, wohnhaft in London, Ealing. Sein Sohn lebte in den USA. In einem der ersten Mails bekannte er sich zum sonntäglichen Kirchgang.
You can’t fool me, Danny. Ich mag von Natur aus zwar offen und neugierig sein, aber ich bin nicht blauäugig. Der Reisepass bestätigt mir das. Augenfarbe: graugrün. Danny, you know what? You asked way too many questions. Wo ich mit wem am Wochenende gewesen sei. Geht dich nichts an. Ich hätte einen zu großen Freundeskreis. Aha. Du bist eifersüchtig und machst mir Vorwürfe. Ich würde mit endearing words und Liebesgeständnissen knausern. You’ve started to put pressure on me. That’s not nice, Mr. Nice Guy. You might call it emotional blackmailing. Erpressung. Das von dir beigefügte Liebesgedicht brachte mein Herz auch nicht zum Schmelzen.
As I say, you can’t fool me, Danny. You feigned interest, but after having exchanged a few emails it dawned on me, you might be a fake. Ich durchschaute dein Spiel. Wahrscheinlich stimmte gar nichts, weder die biografischen Details im Profil noch die zwei Fotos, die einen attraktiven Mittfünfziger zeigten. Die weiße Hautfarbe, sicher auch ein Fake.
Irgendwann ging es Schlag auf Schlag. Unvorhergesehene Dinge passierten. Danny musste nach Lagos fliegen, weil er dort irgendeinen Deal mit einer pharmazeutischen Firma hatte. Der Vertragspartner ließ ihn hängen. Es fehlte das Geld für den Rückflug nach London. Mit der Bitte, ihm eine stattliche Summe für den Flug zu überweisen, wandte er sich an mich. Ich bin doch nicht bescheuert.
I’m not that daft, Danny. As I said, you can’t fool me. Wahrscheinlich bist du die ganze Zeit über in Lagos festgesessen, du kleiner Heiratsschwindler, du.
Ich informierte umgehend Parship. Danny hatte jedoch sein Profil bereits gelöscht. Parship erklärte mir, man habe rechtlich gegen diese Betrüger nichts in der Hand. Daraufhin loggte ich mich auch aus.
Ich hatte die Absicht, einen Bericht an eine Tageszeitung zu schicken, mit Auszügen des Mail-Exchange, damit andere Frauen gewarnt sein würden.
Im Freundeskreis riet man mir, es sei besser, ich sage: Schwamm drüber. Und so löschte ein Klick alle Beweisstücke für die Existenz von jemandem, den es nie gegeben hat.
© Sonja M. Winkler 2020-07-28