Das Bureau

von Lilium Vanitas

Story

In einem kleinen, trostlosen Büro, verborgen in den verwinkelten Gassen einer grauen Stadt, arbeitete Herr K. Tag ein, Tag aus als Schreiber. Seine Welt bestand aus Stapeln von Dokumenten, die er gewissenhaft ordnete, und endlosen Korridoren, die er täglich durchschritt. Die Räume waren eng und stickig, die Fenster winzig und kaum je geöffnet, als ob frische Luft ein unerlaubter Luxus wäre. Herr K. sehnte sich nach Freiheit, einem Leben jenseits der muffigen Wände und den monotonen Aufgaben. Oftmals blieb er vor den wenigen Fenstern stehen, die seine Welt mit einem fahlen Licht durchzogen, und stellte sich vor, wie es wäre, hinauszutreten in die Weite, die er nur erahnen konnte. Diese Momente des Träumens wurden jedoch stets von einem plötzlichen Klopfen an der Tür unterbrochen, das ihn zurück in die Realität rief. Eines Tages fand Herr K. einen Brief auf seinem Schreibtisch. Das Siegel unbekannt und die Handschrift auf dem Umschlag fremd. Als er den Brief öffnete, las er von einer Möglichkeit, sein Leben zu ändern. Eine geheime Gesellschaft bot ihm an, ihm zur Freiheit zu verhelfen. Alles, was er tun musste, war, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu sein. Die Hoffnung keimte in ihm auf, und er begann die Tage zu zählen. Doch je näher der Termin rückte, desto mehr Bedenken nagten an ihm. War dies eine Falle? Konnte er seinen Arbeitsplatz einfach verlassen? Die Zweifel lasteten schwer auf seine Schultern, und dennoch beschloss er, es zu wagen. Der Tag kam, und Herr K. machte sich auf den Weg zu dem beschriebenen Ort, einem alten Lagerhaus am Rande der Stadt. Es war dunkel und still, als er das Gebäude betrat. Ein einzelnes Licht brannte in der Ferne, und er folgte ihm. Doch als er den Raum betrat, fand er nichts als leere Kisten und Spinnweben. Er hörte ein Geräusch hinter sich, drehte sich um und sah eine Gestalt im Schatten. „Sie haben sich wohl verirrt“, sagte die Gestalt, und ihre Stimme klang seltsam vertraut. „Es gibt hier keine Freiheit, nur endlose Gänge und Türen, die ins Nichts führen.“ Verwirrt und enttäuscht versuchte Herr K., den Ausgang zu finden, doch jeder Schritt führte ihn tiefer in ein Labyrinth aus Fluren und Zimmern. Die Wände schienen sich zu verschieben, der Boden unter seinen Füßen zu verschwinden. Er rannte, doch es gab kein Entrinnen. Schließlich fand er sich in einem winzigen Raum wieder, nicht größer als seine Büro, mit einem kleinen Fenster, das auf eine Mauer blickte.

Herr K. setzte sich und begann, Dokumente zu ordnen, die plötzlich auf einem Tisch vor ihm lagen. Der Traum von der Freiheit war zerschlagen, und er begriff, dass es kein Entkommen gab. Er war wieder dort, wo er angefangen hatte, in einem Büro ohne Ende, in einer Welt ohne Ausweg.


© Lilium Vanitas 2024-06-28

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Komisch, Angespannt