Die Geschichte ist schon gute 12 Jahre her und ich hatte mein Fachabitur frisch in der Tasche. Schule und ich sind so eine Sache gewesen. Die Wichtigkeit erschloss sich mir, der Fleiß, welcher dahinter stand, sagte mir dennoch nicht im Ansatz zu. Durchschnittlich intelligent, mit dem Slogan „Diamanten entstehen unter Druck“, habe ich meine Lehrer:innen in den Wahnsinn getrieben, mein Fachabitur aber mit einem Durchschnitt von passablen 2,7 abgeschlossen. Ein gutes Pferd springt bekanntlich nicht höher als es muss. Nun trug es sich zu, dass ich mir mein Zeugnis abholte und danach zur Schule einer Freundin fuhr, weil wir den Tag miteinander verbringen wollten. Ich bin von dieser Schule für das Fachabi an das Berufskolleg gewechselt, so war ich froh, einige bekannte Gesichter wiederzusehen. Besagte Freundin hatte noch Unterricht, ich durfte nach einem kurzen Gespräch mit dem Lehrer dabei sitzen, hinten bei meiner Freundin.
MATHE. Oh, Mathe und ich. Aber gut, ich war nur zu Besuch, kann mir egal sein das alles. Formeln, ja, schonmal alle gesehen, aber ich hatte meinen Abschluss ja schon. Der Lehrer erklärte und gab sich Mühe, ich nickte, als hätte ich irgendeine Ahnung worum es ging. Wie es im Unterricht so üblich ist, werden die Schüler befragt nach den Lösungswegen. Ein kurzer Blick durch die Klasse verriet mir, keiner hatte wirklich eine Ahnung, was der Lehrer, dort vorne an der Tafel, versuchte zu vermitteln. Die Zeit verging, ich war mit dem Kopf bereits in der Eisdiele, da hörte ich den Lehrer anmerken, wohl weil mein Abschluss-Shirt mich verriet, dass ich das bereits durch haben müsse. Ich nickte selbstbewusst, sicher hatte ich das, ganz so unbekannt war mir das alles nicht. Er erklärte weiter, schrieb an die Tafel und fragte erneut seine Schülerschaft, die Gleichung zu lösen. Niemand. Der Lehrer sah sich um und unsere Blicke trafen sich. Es war ein Gefühl, welches ich bis heute nicht vergessen konnte. Fernab von jeglicher Romantik, starrte der Lehrer zu mir, ich starrte zu ihm, wie ein Reh vor Scheinwerferlicht. Schweiß stellte sich mir auf die Stirn, ich merkte, wie meine Wangen begannen zu glühen. Ich fühlte mich in meiner Dummheit ertappt. Zumindest würde ich komplett auffliegen. Ich hinterfragte meinen Werdegang. Hätte ich doch nur aufgepasst. Hätte ich mir doch nur Mühe gegeben, diese Dinge auch wirklich zu verstehen, anstatt sie bei Klausuren nur aufs Papier zu kritzeln und wie sie niedergeschrieben waren, machte mein Hirn stets wieder Platz für das Intro der Gummibärenbande. Ich war im Stress! Sicherlich waren es nur Sekunden, doch fühlte ich Stunden der Panik in meinen Knochen, meine Fingerkuppen wurden schwitzig, meine Beine bereit die Flucht zu ergreifen. „Katharina?“, sagte er meinen Namen und es setzte sich direkt ein Kloß in meine Kehle. Peinlich! Ich saß da, mit meinem T-Shirt für das bestandene Fachabitur. Mit welchem Recht? Wie arrogant von mir zu nicken: Ja klar weiß ich alles! Ich atmete tief ein, um mich zu enttarnen, da öffnete er erneut seinen Mund, um zu sprechen. „Nichts verraten!“. Was? Tausend Steine und noch mehr fielen von mir ab. Mit einer Geste verschloss ich meinen Mund und warf den Schlüssel weg. Meine Freundin grinste, sie kannte mich schließlich. Und wieder bewahrheitete sich: Das Glück ist mit den Dummen!
© Katharina Smialkowski 2025-03-30