Nach dem Baden beim Abtrocknen fragt meine 7-jĂ€hrige Tochter: âMama, was ist das kleine Mini-Zipfelchen da vor meiner Scheide?â Ich antworte langsam: âDas nennt man Kitzler.â In Gedanken ĂŒberlege ich gleichzeitig fieberhaft, wie ich kindgerecht die zu erwartenden weiteren Fragen Ă la âWozu ist das gut?â beantworten könnte. Doch es kommen keine Fragen mehr, das Thema ist vorerst beendet.
FĂŒr ihre Zukunft erachte ich es als sehr wichtig, dass sie selbst ihren Körper erforschen kann und ausprobieren darf, was sich gut anfĂŒhlt. Sie soll das nötige Selbstbewusstsein aufbauen können, um spĂ€ter mit einem Partner ganz selbstverstĂ€ndlich ĂŒber ihre WĂŒnsche zu sprechen. Ich habe das bei mir selbst noch anders erlebt und erst spĂ€t bemerkt, wieviel LebensqualitĂ€t mir dadurch verloren ging. Als ich klein war, durfte ich mich âda untenâ nicht berĂŒhren, wurde von meiner Mutter dafĂŒr gescholten und von meinem Vater geprĂŒgelt. Als ich in der PubertĂ€t heimlich die Selbstbefriedigung entdeckte, wusste ich noch nicht einmal, dass auch Frauen zum Orgasmus kommen können, weibliche SexualitĂ€t wurde komplett totgeschwiegen.
Zum GlĂŒck setzt langsam ein Umdenken ein. Vor einiger Zeit lernte ich einen Mann kennen, der ein paar Jahre jĂŒnger ist als ich. Er nimmt sich ohne extra Aufforderung wirklich Zeit, meinen Körper mit viel EinfĂŒhlungsvermögen zu erkunden und herauszufinden, was sich fĂŒr mich am besten anfĂŒhlt. Noch keiner hatte sich so intensiv mit meiner Klitoris beschĂ€ftigt. Ich kam bei unserer ersten sexuellen Begegnung mehrmals, noch bevor er ĂŒberhaupt in mich eindrang. SpĂ€ter in der Dusche fiel mir zufĂ€llig auf, dass meine Klitoris viel empfindlicher war als sonst. Ich sah nach was da los war, weil ich dachte er hĂ€tte mich womöglich versehentlich verletzt. Was ich sah, konnte ich kaum glauben: meine Klitoris lag komplett frei weil ich die Vorhaut darĂŒber nach oben gezogen hatte. Ich stellte fest, dass sich diese Haut nun ganz leicht bewegen lieĂ. FrĂŒher war sie quasi an der Klitoris befestigt und es bereitete mir Schmerzen, daran zu manipulieren. ZunĂ€chst hatte ich keine Ahnung, was passiert war und befragte Dr. Google. Die ErklĂ€rung war ein Schock fĂŒr mich â offenbar hatte ich 35 Jahre lang eine Klitorisvorhautverklebung von der ich nichts wusste. Auch mein Frauenarzt hatte so etwas nie erwĂ€hnt, der hat noch nie die Anatomie des kleinen Zipfelchens untersucht.
Mein neuer Partner hatte unwissentlich diese Verklebung gelöst und mir so eine neue Dimension der Freude eröffnet. Die Anzahl und IntensitĂ€t meiner Orgasmen potenzierten sich und ich werde ihm ewig dankbar dafĂŒr sein, dass er mir diese Möglichkeiten geschenkt hat. Emotional brach ein ganzer Damm, ich konnte nicht fassen, was mir 35 Jahre lang verwehrt blieb. Mein neues Körperbewusstsein möchte ich am liebsten mit allen Frauen auf der Welt teilen. Vor allem wĂŒnsche ich meiner Tochter, dass sie die Chance bekommt, schon in jungen Jahren ein erfĂŒlltes Sexualleben zu haben.
© Gerlinde Bruckner 2020-04-19