Das Leben ist doch nicht so beschissen.

Thomas Eller

von Thomas Eller

Story

„Das Leben ist beschissen Dr. Hacker.“

“Nein, Herr Maler, Ihr Leben ist beschissen.”

Herr Maler glaubte, sich verhört zu haben. Er sah Dr. Hacker, seinen Psychologen überrascht an.

“Sind Sie sicher, dass Sie die Abschlussprüfung in Psychologie erfolgreich absolviert haben?”

“Ist zwar schon lange her, aber ich glaube ich habe sogar das Diplom noch. Was ich Ihnen damit sagen möchte, Herr Maler ist, dass nicht das Leben beschissen ist, sondern nur ihre Sichtweise. Möchten Sie wissen warum?“

“Ich weiß nicht recht, wird es denn besser?“

Herr Maler schaute Dr. Hacker mit fragendem Blick an. Dieser hielt den Kopf leicht zur Seite geneigt, wie er es zumeist in den Sitzungen tat und lächelte. Es war ein smartes, freundliches Lächeln, dass zu sagen schien, “komm schon, ist alles gut.”

“Herr Maler sie sind nun schon seit fünfJahren mein Patient. Sie wohnen in einem Penthouse am Rande von Innsbruck, Sie malen Bilder, Sie leben von den Immobilien, die Ihre Eltern Ihnen vererbt haben. Kurzum Sie leben an und für sich ein sorgenfreies Leben, aber Sie erkennen es nicht, weil Sie es nur als beschissen ansehen.”

Bevor er den Fäkalausdruck aussprach, zeichnete Dr. Hacker smart und freundschaftlich lächelnd mit Zeige- und Mittelfinger zwei Anführungszeichen in die Luft.

“Geld ist nicht alles Dr. Hacker, dass sollten Sie wissen.” Malers Stimme klang dabei wie die von Robert De Niro.

“Nein, aber mit guten Voraussetzungen ins Leben zu starten und nicht das Beste daraus zu machen, sondern eigentlich unglücklich zu sein, weil man das Leben als be…, na sie wissen schon, ansieht, ist fast eine Kunst.”

Was Stefan schon seit langem befürchtete, war, dass einmal der Moment kommen würde, in dem Dr. Hacker ihm attestierte, dass er nun gesund sei und diese Sitzungen nicht mehr benötige. Das stimmte aber nicht, er benötigte sie sehr wohl. Sie waren Bestandteil seines Lebens. Er freute sich über diese Sitzungen, trug sie grün markiert in den Kalender ein. Die Gespräche mit Dr. Hacker gehörten zu seinem Leben, den eigentlich war er ein Neurotiker und wenn er das erkannte, dann sollte diese Diagnose für Dr. Hacker eigentlich kein Problem darstellen.

“Sie können mir gerne noch weiter das Geld in den Rachen werfen, wenn Ihnen das sinnvoll erscheint, aber eigentlich brauchen Sie etwas anderes.”

Stefan sah zu seinem Gegenüber, “und das wäre, Dr. Hacker?”

Das war nun vor zwei Jahren. Stefan saß auf der Rattancouch auf seiner Dachterasse mit Blick über das nächtliche Innsbruck, neben ihm Julia, vor ihm ein Glas Merlot. Julia hatte er auf einer Vernissage kennengelernt, die zu veranstalten ihm Dr. Hacker damals geraten hatte. Julia kam auch zu dieser Vernissage. Zufälligerweise war auch sie eine Patientin von Dr. Hacker und hatte den Tipp zum Besuch der Ausstellung von diesem bekommen. Sie lernten sich kennen, verliebten sich und waren seit zwei Jahren ein glückliches Paar.

Stefan nahm einen Schluck Wein, lächelte und stellte fest, dass das Leben gar nicht so be… ist.

© Thomas Eller 2021-04-15

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