Das Licht darf nicht ausgehen!

Ulrima

von Ulrima

Story

“Das Licht darf nicht ausgehen! Das ist das Wichtigste!“

So marschierten wir mit unserer kleinen Laterne von Haus zu Haus, von Tür zu Tür und trugen das Friedenslicht aus. Wir, zwei zehnjährige Pfadfinder – Mädchen, an einem Vormittag des 24. Dezember.

Das Friedenslicht von Bethlehem, das in der Geburtsgrotte Jesu entzündet und dann hier nach Österreich geflogen worden war um seinen Weg in Kirchen, Einrichtungen und Haushalte zu finden. Ich fühlte mich, als würde ich einen wertvollen Schatz transportieren. Es war nicht einfach eine Kerze, die in dem kleinen Glaslaternchen brannte, es war das wohl kraftvollste und bedeutendste Licht und wir durften es zu den Menschen bringen.

Beim Austragen trafen wir auf viele liebevolle Menschen und bekamen auch oft kleine Geschenke. Manchmal aber waren sie auch grimmig und jagten uns Angst ein. Meistens jedoch waren es besondere Begegnungen und besonders ältere Menschen erwarteten uns und das Friedenslicht bereits sehnsuchtsvoll. Welch verantwortungsvolle Aufgabe, die wir da hatten! War das Licht doch einmal ausgegangen, so mussten wir den Weg zurück in die Pfarre antreten, um es wieder zu entzünden, egal wie weit die Kirche von unserem Standort entfernt war. Hatte man das Licht wieder entfacht, so war alles gut und das freudige Verteilen konnte weiter gehen. Eine schöne Kindheitserinnerung!

Heute stimmt mich diese Erinnerung sehr nachdenklich. Das einzig wahre Licht! Tragen wir es auch in uns? Leuchtet in uns allen ein Licht? Was bringt unser Licht zum Leuchten, was lässt es erlöschen? Kommt ein Windzug, oder etwas erschüttert uns, so kommt doch oft das Licht ins Flackern. Ja und manchmal, da geht es sogar aus und erstmal ist alles dunkel. Dann liegt es an uns, uns aufzumachen und den Weg zurück zu unserem Licht zu finden, um es wieder zu entfachen und zum Leuchten zu bringen. Auch wenn der Weg beschwerlich ist, so ist er doch der einzig richtige.

“Nehmt doch ein Feuerzeug und zündet das Licht wieder an, anstatt den ganzen Weg zurück zu hatschen!“ Dies wurde uns manchmal von älteren Kindern geraten! Welch ein Fauxpas! Hatten sie es nicht verstanden? Es war doch DAS Licht! Das wahre, echte Licht!

Genau so sollten wir das auch mit unserem Licht sehen! Wir müssen uns kein “falsches” Licht in Form einer Fassade, oder Maske aufsetzen. Wenn wir traurig sind, sind wir traurig und wenn wir gerade nicht leuchten, dann leuchten wir nicht. Wenn aber etwas unser Licht erlöschen hat lassen, dann ist es doch oft gerade dieser Weg, den man dann geht, der es wieder entfachen kann.

Sowie das Friedenslicht sich über die ganze Welt verteilt, so finden auch wir überall wieder unser Licht. In anderen Menschen, die wir lieben, in Begegnungen oder in der Natur und schlussendlich immer auch in uns selbst.

© Ulrima 2020-12-23

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