von Chrissi_schreibt
Meine Schwester hat es vor vier Jahren bekommen. Das schönste Kind der Welt. Nach der Geburt ihres Sohnes war sie ĂŒberzeugt davon. Sie nahm ihn ĂŒberall mit und wich ihm niemals von der Seite. Wie man das mit einem Baby so macht. Doch sie ging nicht einmal alleine auf die Toilette. So verliebt war sie in ihren kleinen Jungen. Ohne Frage, das schönste Kind der Welt darf man niemals aus den Augen lassen.
Bei mir war’s vor einem Jahr so weit. Um vier Uhr in der FrĂŒh ging es irgendwie komisch in meinem Bauch zu. FĂŒr diesen Tag hatte ich mir zwei wichtige Sachen vorgenommen. Mein BauchgefĂŒhl sagte mir aber sofort: âIch gehe heute nirgends mehr hin.â Das stimmte natĂŒrlich nicht. Im Laufe der nĂ€chsten 23 Stunden legte ich ganz schön viele Kilometer zurĂŒck.
Ab acht Uhr an diesem Samstagmorgen zĂ€hlten wir die Minuten. Der angehende Papa war auch schon ganz aufgeregt. Die Wehen kamen wellenförmig jede Viertelstunde. Sie waren mit Bewegung und AtemĂŒbungen gut auszuhalten. So ging es den ganzen Tag dahin. Am Abend nahmen wir ein angenehmes Bad. Das hat gefĂŒhlt einiges beschleunigt. Ich rief im Krankenhaus an, wir packten und fuhren los. Die Fahrt war sehr aufregend. âBald schon ist unser Baby daâ, freuten wir uns. Auf dem Parkplatz bekam ich eine âLuftwatscheâ. Ich fĂŒhlte alles noch intensiver und es ging schneller bis zur nĂ€chsten „Welle“. Doch es hieĂ abwarten.
Es war wieder einmal Lockdown in Salzburg. Also immer mit der Ruhe. Durchatmen und Maske aufsetzen. Eine Geburt war schon im Gange und wir mussten warten. Gemeinsam mit einem anderen PĂ€rchen spazierten wir rauf und runter. Die beiden am einen, wir am anderen Ende des Ganges. Die Wehen wurden immer heftiger. Mir war speiĂŒbel, zum GlĂŒck fand ich eine Toilette. Eine Stunde spĂ€ter kamen wir endlich in den KreiĂsaal. Meine Hebamme untersuchte mich. Der Muttermund war einen Zentimeter geöffnet. Erst!
Wie ein Schlag ins Gesicht traf mich diese Nachricht. Dass mich die nette Dame mit einer Springreiterin verglich, half wenig weiter. âEs wird hell, bis euer Putzi da ist“, auch nicht.
Wir bezogen unser Zimmer. Ich bekam etwas Krampflösendes, was sogleich retour ging. Ich hĂŒpfte herum und drehte fast durch. Mein Freund massierte mich, wie angeleitet. Er behielt die Nerven. Wieder zurĂŒck im KreiĂsaal durfte ich baden. Eine Stunde lang hĂŒpfte ich aus der Wanne heraus und in die Wanne hinein. Ich ging hundertmal aufs Klo, zog mich aus und wieder an, lief hin und her.
Das machte auch die Hebamme. Sie lief hin und her. Das PĂ€rchen âvom Gangâ war ja auch noch da. GroĂteils musste also mein Freund als Geburtshelfer herhalten. Zwischen 1 und 2 Uhr nachts hat sich aber richtig viel getan. FĂŒr die Untersuchung musste ich noch still halten, was kaum zu schaffen war. Mit etwas Lachgas ging’s dann. Die Hebamme fragte :“ Magst du dein Putzi im Wasser kriegen?“ Das machte ich. Eine verschwommene Dreiviertelstunde und einen gewaltigen Kraftakt spĂ€ter war Leonhard da.
Jetzt hab ich es auch: Das schönste Kind der Welt.
© Chrissi_schreibt 2022-11-09