Das, worĂĽber keiner spricht

CarlaRomana Fantini

von CarlaRomana Fantini

Story

„Echo, woran erkennt man, dass ein Käfig ein Käfig ist?“
„Daran, dass es dich vergessen lässt, dass es draußen überhaupt eine Welt gibt, Jade.“

Es gibt eine besondere Art von Erschöpfung, die entsteht, wenn man zu lange unter den Erwartungen anderer lebt. Man merkt es nicht sofort. Es beginnt leise, mit kleinen Anpassungen. Man beißt sich auf die Zunge, wählt die sichere Antwort, vermeidet Wörter, die einen Sturm auslösen könnten. Man redet sich ein, dass es einfacher so ist. Dass es den Frieden bewahrt. Bis man eines Tages begreift: Dieser Frieden gehörte nie dir. Es gibt Menschen, die müssen ihre Stimme nicht erheben, um Macht auszuüben. Sie tun es mit dem Gewicht ihrer Anwesenheit. Mit Blicken, die dich an dir selbst zweifeln lassen. Mit jenen Pausen, in denen du sofort spürst, dass du gerade das „Falsche“ gesagt hast. Solche Muster haben nicht immer denselben Ursprung. Manche wurzeln tief, in der Kindheit. Eingewebt in das Schweigen der Eltern, in ihre Blicke, ihre Sätze, in dieses leise, aber dauerhafte Gefühl, zu viel zu sein. Oder nie genug. Andere zeigen sich später, in einem Partner, einer Freundin, einem Vorgesetzten. In Menschen, die deine Intuition infrage stellen. Die deine Stimme dämpfen. Die dir das Gefühl geben, dass dein Dasein nicht einfach gelebt, sondern gesteuert werden muss. Was all diese Begegnungen verbindet, ist nicht ihr Ursprung, sondern die Spuren, die sie in dir hinterlassen. Sie lehren dich, dich zurückzunehmen, dich zu beugen, in den Grenzen zu bleiben, die nie deine waren. Also lernst du, den Sturm zu wittern, bevor er aufzieht. Du lernst, zwischen den Zeilen zu lesen, Stimmungen zu deuten, bevor ein Wort fällt. Du wirst Expertin darin, keine Probleme zu machen. Und genau dabei fängst du an, dich selbst zu verlieren. Jade & Echo: Wie auf Eierschalen, erzählt nicht davon, sich im Gestern zu verlieren, sondern von dem Moment, in dem du den Rahmen erkennst und begreifst, dass er nie für dich gedacht war. Jade bewegt sich durch ein Geflecht stiller Regeln und unausgesprochener Erwartungen, durch eine Welt, die sorgfältig darauf ausgelegt war, sie kleinzuhalten. Doch an ihrer Seite ist Echo, die Stimme der Klarheit, die Erinnerung daran, dass sie nie dafür gemacht war, sich diesen Linien zu fügen. Aber sie sind nicht allein. Im Hintergrund flüstert eine andere Stimme. Keine, die schreit. Keine, die straft. Sondern eine, die sich wie Nebel um Gedanken legt, leise, aber hartnäckig. Coil ist kein Mensch. Es ist eine Präsenz. Die Stimme jedes Zweifels. Jeder angelernten Zurückhaltung. Jeder Regel, die nie ausgesprochen, aber tief verinnerlicht wurde. Coil muss nicht laut sein. Es genügt, Jade an Grenzen zu erinnern, denen sie nie zugestimmt hat. An Mauern, die sie nie selbst errichtet hat aber in denen sie dennoch lebt. Dieses Buch ist für jene, die zwischen Sein und Funktionieren gelebt haben. Zwischen Wollen und Dürfen. Zwischen Existieren und Akzeptiert werden. Dieses Buch ist für alle, die sich das Recht zurückholen wollen, einfach da zu sein. Zu ihren Bedingungen. Ohne Entschuldigung. Und ohne die unsichtbaren Ketten, die sie einst glauben ließen, es sei nicht erlaubt. Dieses Buch sucht keine Schuld. Es sucht Erkenntnis. Die Menschen, die uns geprägt haben, sind nie nur das eine. Sie sind Wärme und Schwere zugleich. Fürsorge und Kontrolle. Wahrheit bedeutet nicht, Liebe zu verleugnen. Aber wahre Liebe verschweigt auch nicht, was schwer wiegt. Der Ausgang war nie ein offenes Tor. Er war immer ein Schlüssel. Und dieser Schlüssel gehört jetzt dir.

© CarlaRomana Fantini 2025-04-16

Genres
Romane & Erzählungen