von Sabine Doods
Eure Kinder heißt es eigentlich wörtlich in Khalil Gibrans Propheten. “Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht nach sich selbst. Sie kommen durch euch, aber nicht aus euch. (…) Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken”.
Ich bleibe am letzen Satz hängen. Wie oft habe ich meiner Tochter meine Gedanken gegeben, glaubend, dass es die ihren wären. Und dann gemerkt, dass ihre Bilder, ihre Vorstellungen und Wünsche ganz andere als die meinen sind.
Wie oft habe ich geglaubt, das Beste für mein Kind zu wollen, nur um zu bemerken, dass mein Bestes nicht ihr Bestes war oder ist. Vielleicht auch nie sein wird.
Ich habe von mir auf sie geschlossen. Vor allem in Situationen, die ähnlich waren.
So zum Beispiel die Trennung. Ich bin ein Kind getrennter Eltern, sie ist ein Kind getrennter Eltern. Wir waren beide gleich alt, ich fürchtete den Moment, da ich glaubte zu wissen, was sie empfand. Und auch wenn einiges ähnlich war, waren viele Emotionen anderes, auch der Umgang mit ihnen.
Sie hat Dinge geschafft, mit denen ich kämpfen musste, und sie kämpft mit Dingen, die mir leicht von der Hand gehen. Sie teilt viele Werte und Wertvorstellungen mit mir, und dann hat sie ihre eigenen. Wo ich mich manchmal frage, woher diese kommen, denn meine sind es nicht.
Sie ist nicht ich, auch wenn sie von mir kam, geht sie ihren eigenen Weg. Ich möchte mir das immer vor Augen halten.
“Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken”.
© Sabine Doods 2021-07-31