In der kleinsten Einheit des Augenblicks sind die Gegensätze noch nicht geschieden. Alles ist, wie es ist. Das Glück besteht darin, nicht zu fragen:“Diesen wunderschönen Satz lese ich bei Michael Köhlmeier im Freibrief/ Burgtheater“.
Der Zauber des Neubeginns, den uns Hermann Hesse verspricht, hat der eine Wirkungskurve bei mir? So denke ich: Wenn ich den Zauber über ein ganzes Leben lege, beschreibt er eine Gerade oder eine Kurve? Und was kann der Zauber noch bieten, geht es dem Lebensende zu?
Heute weiß jeder: Unser Lebenszweck besteht darin, zu kaufen. Was wir mit dem Gekauften anfangen – wurscht! Inzwischen hat die Meinung Gewicht bekommen, das sei gar nicht zu verurteilen, im Gegenteil, sondern in Wahrheit großartig, sagen so viele.
Denn was will der Mensch? Er will h a b e n. Jemand zu sein ist unübersichtlich, gar nicht so leicht. Etwas zu haben ist leicht, jedenfalls in unserem Land. Das Sein hat sich ins Private verzogen. Dort kann man jemand sein – ein Liebhaber, ein Gehasster, ein Gutmensch usw. Natürlich kann man dies in der Öffentlichkeit auch alles sein, aber wer nimmt dort Notiz davon? Und wenn, wie lange?
Warst du heute führender Generaldirektor oder Vizekanzler (mit Ibiza – Affäre und ihren Folgen ) bist du morgen schon kaum jemand und übermorgen möglicherweise niemand. Hingegen, was du hast, hast du. Und wenn du es nicht mehr hast, kaufst du etwas Neues. Ist das nicht großartig? Ja, in der Bestellung liegt viel Zauber. Und wenn man ein Packerl zugestellt bekommt, belebt sich dieser Zauber immer von Neuem. Es sind einfach, so scheint es, Augenblicke des Glücks. Wenn es nicht so wäre, würden wir nicht so gern bestellen.
Und dann trete ich hinaus in den Herbst und alles um mich herum ist Versprechen. Aber ein Versprechen, das sich messen lässt. Mit einem sehr feinen Maßstab. Einem Maßstab, dessen einzige Einheit der Augenblick ist: Im Herbst, so erlebe ich es ,sind die immer kürzer werdenden Abende besonders kostbar- das Ende der letzten warmen Tage, die seltener werdenden Gelegenheiten, noch einmal im Freien zu sitzen und den Tag ausklingen zu lassen. Theodor Fontane hat seine Erfahrung in seinem Gedicht“ O trübe diese Tage nicht“, bereits im 19. Jahrhundert formuliert. In der letzten Strophe spricht er von einem bangen, nie gekannten Geiz:
Ein süßer Geiz, der Stunden zählt.
Und jede prüft auf ihren Glanz, O sorge, dass uns keine fehlt. Und gönn`uns jede Stunde ganz. Die Vergänglichkeit macht alles einmalig und unwiederholbar, sie verleiht den Stunden ihren Glanz. Das Ende des Sommers ist eben das Auskosten der Zeit, ein Innewerden der Besonderheit jedes Augenblicks.
Der Augenblick, zu dem ich sagen will, er möge stehen bleiben, der lässt uns nicht im Stich; er geschieht, und er geschieht – in jedem Augenblick.
© Hermann Exenberger 2021-09-12