von Laubhaufen
„Du liebst mich nicht.“
Ich seh‘ in seine wunderschön verrückten Augen und wieder sagt er „du liebst mich nicht.“ Er hat es zuvor schon fünf Mal gesagt und während ich ihm seinen warmen Kakao zu seinen Händen gestellt habe, zu heiß mag er ihn nicht, lauwarm ist die perfekte Temperatur, lässt er mich wieder wissen, dass ich ihn nicht liebe. „Du liebst mich einfach nicht.“ Während er mit dem Löffel in seinem Kakao rumrührt, greift er sich an den Hals. Das Schlucken tut ihm weh. Mit einem Handgriff zaubere ich grüne Tantum Verde Halspastillen neben seine Kakaotasse. „Du liebst mich nicht“ wiederholt er zum achten, neunten Mal? Ein bisschen macht mich sein Satz müde. Ich setze mich gegenüber von ihm an den Tisch. „Hab ich recht, du liebst mich nicht?“ Woran er das denn festmacht, will ich von ihm wissen, während er sich wortlos die Tantum Verde für später einsteckt und den lauwarmen Kakao mit einem Zug leert. „Weil du mich nicht lieb hast“, sagt er. Neben uns steht der angeschnittene Apfelkuchen, den ich gestern für ihn gebacken habe. Wortlos hat er Stück um Stück, direkt von der Kuchenplatte, in seinen Mund geschaufelt. Als ein Viertel verschlungen war, dann die Frage, was das für ein Teig sei. Er fragt ja nur, ob da Zimt drinnen sei. „Ja, Zimt ist drinnen, ich weiß ja, dass du Zimt magst. Und ne Menge Zucker.“
„Ja, das merk ich, hab‘ jetzt schon Sodbrennen davon“, lässt er den Kuchen und mich wissen. Ich schlage vor, dass er zwischen den Bissen auch mal schlucken sollte, vielleicht wäre das bekömmlicher, aber das wäre nur Unsinn von mir, man merke eben, dass der Kuchen ohne Liebe gebacken wurde.
Heute steht er noch neben uns, der Kuchen. Und seine Kritik.
„Wann machst du denn dieses Dings, dieses Flaum-Ding mit Äpfel?“, fragt er mich.
„Flaum-Ding?“
„Ja, das Flaum-Ding mit Eier drinnen und oben ist alles weiß.“
„Ich glaub, du meinst etwas ganz anderes, da sind keine Äpfel drinnen“, überlege ich.
„Na dann sind eben keine Äpfel drinnen.“
Ich stehe wieder auf, stelle seine leere Tasse neben die Abwasch, drehe mich zu ihm, streiche über sein Haar und lasse einen Kuss darauf zurück.
„Warum bist du denn so mürrisch?“, hauche ich ihm zart auf die Lippen.
„Na, weil du mich nicht liebst“, schmollt er zurück und meint es ernst.
„Ich hab dich lieb“, flüster ich in seine Wange und kann nicht verstehen, dass er es nicht schmecken kann, während er sich noch fünf Happen Apfelkuchen mit Zimt, ohne schlucken, in den Mund stopft. Mit vollem Pfampfmund nuschelt er „das sind nur Worte, aber du liebst mich nicht“.
Ich überlege, ob er von sich spricht und frage das erste Mal, ob ihm der Kuchen eigentlich schmeckt, während er mit der Gabel noch ein Stück abtrennt, so groß wie ein Pflasterstein. „Geht so“, sagt er schluckend.
Geht so.
Geht so.
Geht so.
Vielleicht gehe ich auch mal so.
© Laubhaufen 2020-11-25