Dieser Hauptkommissar Christian Stein ist wirklich ein netter Mensch. Ein echter Vertreter der Polizei – wie man sich eben die Polizei vorstellt. Freundlich, hilfsbereit, menschlich, helfend. Dein Freund und Helfer.
Erst gestern rief er mich an, mal wieder. Ich hatte schon von ihm gehört. Er war sehr besorgt am Telefon, nicht weinerlich aber ausgesprochen ernst. Ich habe sofort einen mächtigen Schreck und wie in all solchen Fälle sogar Gewissensbisse bekommen (man weiß ja nie!). Was habe ich falsch gemacht, wo bin ich mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, hat mich jemand angezeigt? Sogar ein flaues Gefühl in der Magenkuhle tat sich auf.
Er beruhigte mich aber sofort. Sehr sanft! Zunächst! Nein, mit mir wäre alles in Ordnung, aber mit meinem Sohn … und er sprach nicht weiter, ich sollte erst seine Gedanken erraten, sollte mich nicht aufregen, sollte mich sammeln, mich beruhigen, bevor er weitersprach … und dann … ja, mit meinem Sohn wäre etwas geschehen und er, da er mich ja kennen würde, hier im Dorf kenne doch jeder jeden … wollte mir nun das schonend beibringen.
Ach war ich erleichtert!
Er wollte mich also schonend informieren. Wie nett von ihm, ein wirklicher Freund dieser Polizist.
Nur gab es da ein klitzekleines Problemchen.
Ich kenne gar keinen Hauptkommissar Christian Stein. Ich kenne zwar das Polizeirevier in Liebenburg und weiß, dass dort ein ehemaliger Schüler es zum Kommissar “geschafft” hat, und der heißt Thomas Werner, aber einen Hauptkommissar Christian Stein kenne ich nicht. Sollte dort ein Wechsel stattgefunden haben?
Sollte die Stelle erweitert worden sein? Hier auf dem Land?
Und dann gab es noch ein zweites Problem:
Ich habe gar keinen Sohn, ich habe zwei reizende Töchter. Eine wohnt gerade hier bei mir und die andere … mit der habe ich vor wenigen Minuten telefoniert.
Woher soll ich einen Sohn haben?
(Nun, aus früheren Zeiten vielleicht … es heißt ja, schlage öffentlich nie ein Kind, es könnte dein eigenes sein … aber auch das war mir nicht bewusst.)
Also kein Hauptkommissar Stein und keinen Sohn! Verwählt? Nee, er kannte meinen Namen!
Also?
Da haben wir’s! Der berühmt berüchtigte Trick. Ich bin zwar nicht drauf reingefallen. Aber der Trick war diesmal bei mir gelandet!
Nun ja.
Doch nun stellt sich für mich die banale Frage!
Wer macht so etwas?
Was muss in einem Menschen vorgehen, dass er sich nicht entblödet, jemand anzurufen mit der bewussten Absicht, diesen reinzulegen.
Nun wir kennen die menschlichen Abgründe zur Genüge, wir kennen aus jüngster Zeit, mit welchen Lügen- und Betrugsgeflechten Menschen sich gegenseitig zu schädigen versuchen – angefangen von kleinsten Betrügereien über die Finanzgelüste mancher Politiker bis hin zu den Eroberungsmentalitäten von Feldherren und Präsidenten.
Das ist so – das war so – das wird wohl auch so bleiben.
Dennoch stellt sich bei mir die Frage, was läuft da im Genkakatalog des Menschen schief, dass er so denkt und so handelt – so, wie er selbst nie behandelt werden möchte.
© Heinz-Dieter Brandt 2022-10-05