von Daniela Noitz
Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Milo, vielleicht ein wenig breitbeiniger, malerisch unterlegt vom Flackern des Bildschirmes und der unvermeidlichen Akustik eines FuĂballspiels, kommentiert mit zarten GrunzgerĂ€uschen. Mittlerweile kann ich sie unterscheiden, habe ich mich eingelebt in das mĂ€nnliche VerstĂ€ndigungsmuster, kann unterscheiden zwischen âBring mir ein Bier!â oder âBring mir ein Bier!â. Ich stehe in der TĂŒre und lĂ€chle, denn ich trage wunderschöne Erinnerungen mit mir, wie Darmspiegelungen, Zahnarzttermine oder Elternsprechtage â und dann weiĂ ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden. Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Milo, vielleicht ein wenig breitbeiniger, und das Grunzen hat sich in ein Schnarchen verwandelt. Du hast Dich verausgabt, damals, in Deiner Zeit Deines Werbens um mich, testosterongeschĂŒttelt wie Du warst, schafftest Du es noch, Deine letzten mentalen KrĂ€fte zusammen zu nehmen, ein paar wenige menschlich verstĂ€ndliche Worte zu artikulieren, doch dann, als die Couch da war und der Fernseher, dann musstest Du Dich erholen, von der intellektuellen Strapaze. Kurz dachte ich noch, es ginge so weiter, Du wĂŒrdest mit mir reden, doch Du bist so sĂŒĂ mit Deinen groĂen, dummen Ochsenaugen, so dass ich noch nicht aufgab, weiter versuchte mit Dir zu sprechen, doch meine Worte verloren sich wie Wassertropfen in einer ausgedörrten WĂŒstenlandschaft. Ich stehe in der TĂŒre und lĂ€chle, denn morgen lasse ich das Schloss tauschen und Deine Koffer auf die StraĂe stellen â und dann weiĂ ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden. Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Milo, vielleicht ein wenig breitbeiniger, und im Schlaf rinnt Dir der Speichel ĂŒber die Wange, und erinnerst mich an ein glupschĂ€ugiges Walross. Schloss ausgetauscht und Koffer vor der TĂŒre, und Du wirst zu Deiner Freundin laufen, schnurstracks. Kurz habe ich ĂŒberlegt ihr zu schreiben, doch sie hĂ€tte Dich vielleicht nicht mehr wollen, hĂ€tte Dich mir ĂŒberlassen. Irgendwer hat immer das Bummerl. Ich gebe es gerne ab, nachdem ich es lange genug gehabt hatte, so lange, dass ich schon meinte, es gehörte so, doch von vorne kam die Erinnerung wieder, an Zeiten, da die Couch fĂŒr uns beide war, einer Zeit, in der der Couchtisch nicht vollgepackt war mit leeren Bierdosen und Chipssackerln. ZahnfleischentzĂŒndungen und eingewachsene FuĂnĂ€gel und Nierenkoliken, fallen mir spontan ein â und dann weiĂ ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden. Du liegst, hingegossen auf der Couch, anmutig wie die Venus von Milo, vielleicht ein wenig breitbeiniger. Du bist die Suppe, die ich mir einbrockte â ich habe sie ausgelöffelt bis zum Erbrechen. Du bist der Zustand, in den ich mich bettete â und ich habe es ausgehalten, bis ich völlig wundgelegen war. Du trĂ€gst keine Schuld, denn ich habe verlangt, was Du nicht leisten konntest, wollte doch mehr als Glupschaugen und Grunzen und Schnarchen. Wie ich es auch nur wagen konnte mehr als das zu erwarten? Ich strafe mich selbst. Gleich morgen, wenn das Schloss ausgetauscht ist und Deine Koffer auf der StraĂe stehen, mache ich Urlaub in einer Leprakolonie oder in einem sĂŒdafrikanischen Bergwerk oder in einem rumĂ€nischen Waisenhaus â und dann weiĂ ich, trotz Dir, gibt es ihn noch, den Himmel auf Erden.
© Daniela Noitz 2023-12-23