von Hermann Karosser
Mein GroĂvater mĂŒtterlicherseits, Johann Schwarz, wurde 1878 in Deching im Bayerischen Wald geboren. Das heiĂt, als ich geboren wurde, war er schon 75 Jahre alt und die meiste Zeit die ich mit ihm verbrachte, lag zwischen seinem 80. und 90. Lebensjahr! Da war aber nichts mit âhinterm Ofen sitzenâ und Nichtstun. Ich erinnere mich an ihn als einen unglaublich vitalen Menschen. Die Bewirtschaftung des groĂen Hauses mit dem noch gröĂeren Garten, der alten Schmiede in Deching samt Obstgarten und Fischwasser hielt ihn lange jung und fit und sein fester Glaube an Gott und Maria half ihm zusĂ€tzlich dabei.
Johann Schwarz hatte wie schon sein Vater zuvor das Handwerk des Hufschmiedes erlernt und in Deching, einem kleinen Ort, 25 Kilometer nach Passau und 6 Kilometer vor Waldkirchen, die Huf- und Wagenbauschmiede, einschlieĂlich Landwirtschaft seiner Eltern ĂŒbernommen.
Hufschmiede machten schon damals nicht nur Hufeisen und beschlugen Pferde, sondern sie waren regelrechte âPferdedoktorenâ. In meinem Besitz ist eine groĂe Andenkenurkunde, auf der mein GroĂvater zusammen mit 21 weiteren Schmieden abgebildet ist und die die Ăberschrift trĂ€gt: âZur Erinnerung an den Lehr-Schmiede-Kurs der kgl.-tierĂ€rztlichen Hochschule MĂŒnchen vom 1. Oktober 1900 bis 1. Februar 1901â. Was ich auch noch habe ist ein Hufeisen von ihm, das ganz speziell fĂŒr ein Pferd angefertigt worden ist, bei dem das Eisen vorne am Huf nicht (mehr) genagelt werden konnte. Deshalb, so hat erâs mir erklĂ€rt, hat es vorne eine Art Zunge, die das Eisen von oben her hĂ€lt.
1906 heiratete er meine GroĂmutter, Anna, geborene Schönberger, ĂŒber die in dem notariellen Ăbergabevertrag, mit dem mein GroĂvater 1906 Landwirtschaft und Schmiede in Deching ĂŒbertragen erhalten hatte, steht, sie sei eine âledige, volljĂ€hrige Köchin in Perlach bei MĂŒnchenâ.
Mein GroĂvater gehört zu den Menschen, die alle zwei Weltkriege miterlebt und ĂŒberlebt haben. Wie man dem MilitĂ€r-Krug, der seinen Namen trĂ€gt, entnehmen kann, gehörte er zur Jahrhundertwende dem 3. Feld-Artillerie-Regiment âKönigin Mutterâ 12. Batt 98/1900 MĂŒnchenâ an. Eines von den fĂŒnf Bildern auf dem Krug zeigt einen Amboss und die Inschrift âHoch lebe das Handwerk der Schmiedeâ.
Er hatte das GlĂŒck, dass sein Handwerk 1914-1918, heute wĂŒrde man sagen âsystemrelevantâ war. FĂŒr das Krieg fĂŒhren wurden damals noch gesunde, krĂ€ftige Rösser gebraucht, um Fuhrwerke und Kanonen zu ziehen, aber auch fĂŒr die Kavallerie. Und so leistete mein GroĂvater Kriegsdienst, indem er seinen Beruf ausĂŒbte.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Opa schon ĂŒber 60 Jahre alt und ich habe nichts davon gehört, dass er im Dritten Reich irgendeinen MilitĂ€rdienst geleistet hĂ€tte. Aber auch da war er âsystemrelevantâ tĂ€tig, nachdem er vorher vom Schmied zum Fabrikanten geworden war. Womit wir beim nĂ€chsten Lebensabschnitt meines GroĂvaters angekommen sind. Das ist aber eine ganz andere Geschichte.
© Hermann Karosser 2020-08-07