von Christine Föger
Es lag Feuchtigkeit in der Luft. Die Sonne war längst untergegangen, noch sah man die Umrisse der Landschaft in der einsetzenden Dämmerung. Herbst war es, es roch nach kaltem Rauch. Auf der anderen Straßenseite hatten Bauern die Wiese kontrolliert abgebrannt, um das dürre Gras zu verbrennen und dem frischen Gras im Frühjahr mehr Luft zum Wachsen zu geben. Das war damals noch erlaubt! Meine Eltern hatten den Garten winterfest gemacht. Die Pflanzentröge bezogen ihr Winterquartier im Keller. Das Vogelhaus war aufgestellt.
Mit den von unseren Müttern gestrickten Jacken hielten wir der beginnenden Abendkälte stand. Wir paar Nachbarskinder versammelten uns unter dem Kirschbaum, hier hatten wir den Gartenweg zum Haus im Blick. Wir warteten und wir konnten es kaum erwarten. In diesen Tagen würde der „Ringlpater“ kommen. Die „Ringlpater” gehörten dem Orden der Kapuziner an, der mit seinen Wurzeln auf den Hl. Franz von Assisi zurückgeht. Den Namen verdanken die Kapuziner der auffällig langen, braunen Kapuze an ihrer Ordenskleidung. Früher hat man die Ordensbrüder mit dem Spitznamen “Kapuziner” gerufen und daraus entstand tatsächlich diese offizielle Ordensbezeichnung.
Nach diesem kleinen Exkurs nun zurück zum Herbst meiner Kindheit. „Er ist da“ riefen wir Kinder vom Warten erlöst, sobald wir die Schritte auf dem Kiesweg vernahmen. Der „Ringlpater“ begrüßte und sprach mit uns, spürte die freudige Erwartung und nahm endlich den mitgebrachten Stoffbeutel zur Hand. Er griff hinein in diese wundervolle Vielfalt an Kostbarkeiten und wir staunten, wie jedes Jahr. Vor uns in seiner Hand lagen etliche “goldene” Ringe mit Schmucksteinen in allen Farben und Formen. Nun hatten wir die Qual der Wahl! Das kräftige Orange, das tiefe Blau, das satte Grün in Herzform oder oval? Wir Mädchen berieten uns aufgeregt, verhandelten natürlich auch um ein begehrtes Stück, das nicht nur eine von uns haben wollte und nahmen die schönen Anhänger für unsere Halsketten ins Visier. Diese schwarzen Kreuze mit den silbrig-glitzernden Steinchen auf dem Längs- und Querbalken beeindruckten uns sehr. Der Pater war geduldig, während wir probierten, unterhielt er sich mit uns und mit meiner Mutter und bekam eine Spende für die mitgebrachten Gaben.
War der „Ringlpater“ dann weitergezogen, schauten wir unsere Schätze nochmals genau an, Tauschverhandlungen inbegriffen. Wir fühlten uns wie kleine Prinzessinnen, wenn wir mit den neuen Errungenschaften ins Haus gingen. Vor dem Schlafengehen kamen die Schmuckstücke in eine kleine Schatulle, damit nichts verloren ging. Darin fanden sich freilich schon ähnliche Stücke aus vergangenen Jahren. Auf das Kommen des “Ringlpaters” konnten wir uns ja jedes Jahr verlassen. Er gehörte zum Herbst ebenso wie das verwelkende Laub und die heimelige Stube im Haus. Sein Besuch war jedes Jahr aufs Neue ein mit Sehnsucht erwartetes Highlight meiner Kindheit.
© Christine Föger 2023-01-05