Der Kongress tanzt

Gerhard Hirschl

von Gerhard Hirschl

Story

Können Sie sich erinnern? Irgendwann im Unterricht in der Mittelschule (Hatten die Schulen damals noch Mittel? -Und wofür hatten sie diese?) wurde uns vom Wiener Kongress erzählt.

Metternich, der Reichskanzler hatte die Fäden in der Hand. Drehte sich nicht alles um ihn, so wusste er alles mittels seines Geheimdienstes richtig zu drehen. Ganz Europa – und um Europa herum drehte sich der Rest der Welt – gab sich in Wien die Hand. Der Wiener Kongress legte die neue Weltordnung fest, ob es der Welt gefiel oder nicht. Damit das funktionierte, gab es genug Veranstaltungen (informelle Veranstaltungen würde man heute sagen) um den Kongress herum. Viele Bälle gab es, und da wurde natürlich getanzt.

Tanzen konnten die Bürger, die tanzen konnten. Die Anderen konnten nicht tanzen, durften nicht tanzen. Die hatten es ja auch nicht gelernt. Der Adel – und das war wohl der Hauptteil der Oberschicht – konnte natürlich tanzen. Der Adel tanzte oft sogar seine eigenen “Tanz”: von der Erotik über die Wirtschaft bis in die Politik und wieder zurück. Da hatte nicht einmal mehr der Großbürger mitzureden. Na, und der Hochadel? Der tanzte sogar von Wien bis Mayerling, von dort aber nicht mehr zurück.

Der kleine Bürger, besser der kleine von der Straße, welcher nicht tanzen konnte, der war stumm. Carl Spitzweg hat das gut gemalt: “Der Kakteenfreund”, “Zwei Männer beim Betrachten des Mondes”, oder “Der Poet” um nur ein paar seiner Bilder zu nennen. Recht bieder muten die Bilder an, wenn nicht die Frage auftaucht: “Was treibt einen Menschen dazu, sich noch im Morgenmantel nur mit Pflanzen zu beschäftigen?“ “Was lässt zwei Männer die Stille der Nacht noch mit der Einsamkeit einer mondhellen Landschaft topen?” oder “Warum verkriecht sich dieser Mensch mit seinen Schriften im Bett, anstatt das löchrige Dach direkt über ihm zu flicken?” Waren alle diese Leute solche Biedermeier? Gab es nicht doch immer wieder auch ein paar Leute wie Princip, welcher eine Waffe nahm und den nächstbesten Herrscher erschoss?

Jedenfalls hat aus dieser Stimmung heraus ein Krieg begonnen, welcher die ganze Welt bluten ließ.

Ohne Geschichtsunterricht und ohne Lehrbuch – sehen sie schon, was jetzt kommt? Der Adel ist heute selbst ernannt. Die Bildung hat er mit dem Löffel gefressen, den durch Lernen wäre am Ende gar auch Menschenbildung daraus geworden. Bildung dient nur mehr dazu, tanzen zu können. Tanzen auf dem Parkett der Politik. Der biedere Meier – den gibt es auch wieder. Kätzchenschau auf Facebook. Mode machen, dass die Fetzen fliegen. Oder einfach Eitelkeit im kleinen, sodass man sich so groß fühlen kann wie die Großen.

Als Abgesang ….

Fällt mir noch eine kleine Anekdote zum Schluss ein: Putin hat sich auf der truth – Internetplattform von Trump angemeldet und sein erstes Posting getätigt. Er hat sein comming out verlautbart. Als äußeres Zeichen seiner lange geübten Haltung lässt er sich einen schmalen Schnauzbart wachsen – wie Hitler.

© Gerhard Hirschl 2022-02-24

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