Der Lehrer

Er fühlt sich wie ein Lappen, aber kein nasser Lappen. Denn er fühlt sich ganz ausgetrocknet, am Zerbröseln oder wie eine überreife Zwiebel, am Abschälen.

Lehramt Deutsch und Mathematik, eine ungewöhnliche Kombination, da er doch ungewöhnlich sein wollte. Die Arbeitsweise der Lehrer, die ihn unterrichtet haben, hat er sich geschworen zu meiden. Zu gut konnte er sich an die Schelte und Demütigungen zurückerinnern, die manche Lehrer heruntergerattert haben. Er wollte Unterricht mit Sinn, Schülern die Freude am Lernen beibringen.

Doch irgendwie kam es anders. Nach dem Studium war er noch frisch, hat sogar innerhalb von 3 Tagen (aufgrund des Lehrermangels) eine Position bekommen. Also übernahm er seine ersten Klassen, unter anderem eine 6. Grundstufe, damit begann der qualvolle Pfad.

Die Schüler waren dumm, anders kann er es sich nicht erklären. Er hat alle didaktischen Kniffe probiert, alles Asse aus dem Ärmel gezogen, einmal wortwörtlich sogar im Deutschunterricht, um den Schülern die Redewendung zu erklären. Doch die Schüler weigerten sich. Wenn er redete, redeten sie lauter, wenn er dann ermahnte, verstummten sie. Aber nicht so, wie er es beabsichtigte, sie begannen zu blockieren, als ob er gegen die Wand spräche. Wenn er Fragen stellte, dann meldete sich niemand. Wenn er die Tafel brauchte, wollte sie keiner löschen.

Er war verzweifelt, seine Autorität war untergraben. Drei Schularbeiten in Folge musste er wiederholen, die Hälfte fiel bei den ersten Malen durch. Also setzte er auf weniger bekannte Methoden, um es vorsichtig zu formulieren. Autorität konnte er sich nicht durch Respekt verschaffen, also erlangte er sie durch Angst.

Im Studium hat er genug Pädagogik gehabt, um zu wissen, wie man unreife Schüler manipulieren kann. Zum einen hörte er auf, den Stoff richtig zu erklären, zum anderen schrieb er zu schnell auf die Tafel und redete nur irgendetwas Unschlüssiges vor sich hin. Dann begann er die Prüfungen zu erschweren, mit Inhalten, die dem erlernten Stoff ähneln, wo jedoch die Aufgabenstellung für unerfahrene Schüler unverständlich ist. Natürlich war das alles mit ständigen Herablassungen seinerseits untermauert. Er setzte sie unter Druck und Stress.

Schlussendlich tat er das, was seine Lehrer mit ihm taten. Nun verstand er ihre Beweggründe. Er ist das Monster geworden, das er bekämpfen wollte. Seine Schüler fürchteten sich vor ihm, auch lange nach der Schule. Dabei fühlte er sich nicht einmal wohl. Denn er wusste genau, er war nicht mehr ungewöhnlich, sondern wie alle anderen.