Es war einmal ein Löwe, der sehr viel von sich hielt. Mit stolzgeschwellter Brust ging er des Abends in eine Kneipe, um sich ein Mädchen mit nach Hause zu nehmen. Er wusste um sein Aussehen und wie er seinen Charme einsetzen musste, dass die Damen ihm reihenweise verfielen. Nie dachte er auch nur daran, den Frauen mehr zu schenken, als eine Nacht mit ihm.
In der Kneipe sah er sich provozierend um und hatte schnell eine Gefährtin für die Nacht auserkoren. Eine hübsche Häsin hatte es ihm angetan.
Er stolzierte zu ihr hinüber und umgarnte sie: „Du schönste aller Häsinnen, du bist wahrlich eine Augenweide unter all den Tieren. Noch nie habe ich ein glänzenderes Fell als das deine gesehen. Noch nie haben meine Augen längere Ohren bewundern, noch nie eine entzückendere Stupsnase betrachten können. Und dein Duft ist atemberaubend. Wie gerne würde ich dich mein nennen.“
Er legte eine bedächtige Pause ein, sodass das Gesagte Wirkung zeigen konnte.
Doch die Häsin wollte es ihm nicht leicht machen. „Was kannst du mir denn bieten?“, fragte sie keck.
Der Löwe lächelte über ihre Reaktion, wusste er doch genau, wie er sie für sich gewinnen konnte. „In Afrika, bin ich der König der Savanne“, prahlte er. „Die schönsten Sonnenuntergänge und die erfrischendsten Quellen gehören mir. Jeder Grashalm, der dort wächst, ist der meine. Alle Tiere sehen zu mir auf, weil ich ihr Herrscher bin. Du könntest meine Königin sein.“
Die Häsin machte große Augen und der Löwe ahnte, dass er sie in der Tasche hatte. Da drehte sie den Kopf in Richtung Bar. Zu ihrer Freundin der Gans, die dort saß, sagte sie: „Ist das nicht verrückt? Gestern noch wollte er dich zur Königin nehmen, doch das tat er nicht. Heute hat er mich auserkoren, doch das will ich nicht. Und nun hat er gar keine Königin, obwohl er doch der König ist.“
Als der Löwe erkannte, mit wem die Häsin sprach, wurde er kreidebleich und ließ seinen Brustkorb sinken. Hatte er sich doch nach nur einer Nacht mit der Gans aus dem Staub gemacht. Die Häsin und die Gans aber lachten aus vollem Halse.
Und die Moral von der Geschichte:
Lügen haben kurze Beine!
© Franziska Ströbel 2023-07-05