Der Mitbewohner bekommt einen Namen…

Isi Dora

von Isi Dora

Story
2020

Mal vorweg, das wird wieder keine gute Story. Keine lustige, keine lockere. Bei mir gibt es momentan leider nur schwer verdauliches. Aber auch das muss raus. Raus aus meinem Kopf.

Wenn es auch gelingt, im Alltag das Thema ein wenig beiseite zu schieben, bei den stundenlangen Autofahrten Richtung Eltern stürzt es über mich ein, das Kartenhaus. Den ersten Teil der Strecke funktioniert der Radio noch, dann ab dem ersten Tunnel nur noch Rauschen, ich muss auf CDs wechseln. Auf der CD im Auto höre ich seit der ersten Fahrt vor ein paar Wochen Alanis Morissette. Bob Marley ist auch drauf, aber der ist trotz der Leichtigkeit des Reaggys zu schwermütig. Doch selbst meine sonst immer aufmunternde Alanis funktioniert seit dieser ersten Fahrt nicht mehr richtig als Power-Spender. Zunehmend befürchte ich, dass ich sie den Rest meines Lebens nicht mehr hören kann, ohne an meinen Papa zu denken. Aber irgendwie find ich das schön, dass wir sowas wie eine gemeinsame Musik bekommen, wenn auch in einseitiger Weise.

Ich hatte mich verschlossen und wollte zu gerne glauben und hoffen. Hoffen, das werde ich auch weiter. Hoffen, dass er nicht zu viel leiden muss, dass durch eine schnelle Bestrahlung in Kombination mit der Chemo noch eine leichte Besserung eintreten kann. Dass er die Chemo einigermaßen gut verkraftet, dass er die Zeit, die nun noch bleibt, nutzen kann für die Dinge, die er liebt. Dass er mit der Hilflosigkeit lernt, umzugehen, dass er sich über Wünsche klar wird, die er noch umsetzen kann und möchte. Das tut er bisher jedenfalls, und er wird auch gut von einem ganz einfühlsamen Team im Krankenhaus unterstützt und gestärkt, wo es nur geht.

Der schwere und schnelle Verlauf der Erkrankung meines Papas ließ mich schon öfters die Alarmglocken läuten. Ich will nicht als pessimistisch gelten und ich hatte sicherlich große Hoffnung, aber… – da ist es wieder, dieses blöde Wort. Es muss trotzdem sein: Wenn innerhalb weniger Wochen sich ein körperlicher Zustand so rasant nach unten entwickelt, wie ich es über die letzten knapp drei Wochen erlebt habe… – dann klingelt es halt immer lauter.

Es ist hart, der Realität ins Auge zu blicken und zu erkennen, dass mir dieser Name nicht gefällt. Ich würde auch gerne von einem anderen Namen für seinen Gehirntumor schreiben. Namen, die so wunderschön hoffnungsvoll klingen wie pilozystisches Astrozytom oder Neuronim. Noch nie davon gehört? Geht mir genauso. Aber die verlieren durch ihre Gutartigkeit schon etwas ihren ersten Schrecken und die Prognosen sind durchaus gut.

Der Mitbewohner hat dank der Biopsie einen Namen bekommen, der gefällt wohl niemanden. Glioblastom. Wer will schon so heißen, wie der bösartigste Hirntumor, den es gibt? Ein ganz heimtückischer Typ. Hinterhältig. Suche ich besser selber einen Namen. Ich nenne ihn lieber Donald oder Wladimir. Oder vielleicht sollte ich ihn gar nicht dutzen? Na, dann Mister… machen sie sich klein und verpusten sich wieder dahin, wo sie herkommen!!!

© Isi Dora 2020-07-11

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