Der One-Night-Stand

MagRednerin

von MagRednerin

Story
Wien 2012

One-night-stands waren für mich schon immer unattraktiv. Der Gedanke mit einem Fremden ins Bett zu gehen und diesen nie wiederzusehen regt in mir lediglich ein beängstigendes Gefühl als ein anregendes. Situationen in denen eine one-night-stand vorhersehbar war ging ich aus dem Weg. Dies passiert oft in Zusammenhang mit viel Alkohol, zu einer Zeit, in der man sich einerseits sehr gut fühlt in der eigenen Haut und andererseits aber auch sehr liebesbedürftig ist, weil man single und einsam ist. Die letzte Komponente ist natürlich ein gut aussehender Mann, der so unglaublich cool ist, dass er nie für mehr als nur etwas Kurzfristiges verfügbar ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in einer Beziehung ist, ist sehr hoch. One-night-stands sind für mich wie auf der Mariahilfer Straße spazieren zu gehen und nichts zu kaufen. Möglich, gewünscht, aber doch unwahrscheinlich.

Ich war mit meinen Freundinnen tanzen. Freitags im Volksgarten unter dem Motto: beloved. Jede und jeder dort wollte beloved werden. Die Energie in dem Raum füllte sich mit Potenzial an Sex. Schweißgebadete Männer, halb nackte Frauen, gepaart mit einer nicht vernachlässigbaren Menge an Alkohol und einer Licht- und Musikshow, die einen fühlen ließ, als ob es gerade keinen besseren Ort gäbe, um beloved zu werden bzw. kein besserer Ort shoppen zu gehen als auf der Mariahilfer Straße. Obwohl ich nicht tanzen kann, unter den zuvor genannten Umständen konnte ich tanzen und tat das auch, jedoch nicht sehr lange. Ein junger Mann mit lockigen blonden Haaren betrat den Raum. Er war groß, sehr groß, viel größer als ich und ich bin mit meinen 1,80 cm recht groß für eine Frau. Dies ermöglichte uns einen guten Blickkontakt über die tanzende Masse hinweg. Er kam direkt auf mich zu und nach kurzem small talk tanzten wir. Es hatte schon fast Saunatemperatur. Mir machte das nicht viel aus, ich hatte lediglich ein Trägershirt an und eine Jeans, aber er hatte ein Hemd und eine Lederjacke an. Die Temperatur ließ ihn nicht davon abhalten, dass er mich während dem Tanzen auf meiner Hüfte berührte und seine Hand dann dort auch verharrte. Wir kamen uns immer näher, redeten und lächelten uns an, bis er mein Kinn in seine andere Hand nahm und zu seinem Mund führte. Da wusste ich, dass ich beim Spazierengehen beim Westbahnhof angelangt bin und hier jedenfalls etwas kaufen würde, auch wenn ich es nicht geplant hatte. Alles, was nach dem Westbahnhof auf der Mariahilfer Straße kommt, ist zwar für einen Spaziergang in Ordnung, aber wenn ich mich dazu entscheiden wollte, etwas zu kaufen, dann noch südlich des Westbahnhofs. Dies war der Moment, in dem ich seinen Kuss erwiderte und mich darin fallen ließ. Mir war bereits beim Küssen klar, dass wir uns kein zweites Mal mehr sehen würden. Ich stellte auch keine Fragen mehr, wollte nichts mehr wissen von ihm. Ich kann mich heute nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern. Was in Erinnerung blieb, ist das Gefühl, das er mir gegeben hat – ich habe mich begehrt und nicht beängstigt gefühlt. In einer Situation, die ich zuvor als unattraktiv geschildert habe, fühlte ich mich auf einmal wohl. Der Abend nahm seinen Lauf und wir landeten bei mir zu Hause. Ehe die Sonne auf mein Gesicht strahlte, war das Gefühl von beloved verschwunden – genauso wie er. Mein Bett hatte ich wieder für mich alleine und ebenso fühlte ich mich in meinem Innersten.

© MagRednerin 2024-09-04

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Emotional, Unbeschwert, Traurig