Der Rattentempel

Oskar G. Weinig

von Oskar G. Weinig

Story

Bei meiner Reise durch Rajasthan mit meinem österreichischen Freund beeindruckten uns die mächtigen Fords, beeindruckende Paläste und die Vielzahl der Tempel. Übernachtungen in den märchenhaften Palästen und Havelis der Maharadschas versetzten uns in ein Gefühl der Magie. Wenige Touristen aus der westlichen Welt reißen zu den Kulturdenkmalen in Indiens Bundesstaat Rajasthan.

Die erste Nacht verbrachten wir n den exklusiven und diskreten, in den Bergen liegenden Samode Palast. Es folgten Paläste von Jaipur bis nach Jaisalmer an der pakistanischen Grenze. Einer der Höhepunkte war der hinduistische Rattentempel. Bereits das mit Silber und Gold kunstvoll verzierte Eingangstor vermittelte uns einen erhebenden Eindruck der Volksfrömmigkeit der Hindus. Geschätzt leben circa zwanzigtausend Ratten im Tempel. Wie in jedem Tempel verpflichtend, sind beim Betreten die Schuhe und Strümpfe auszuziehen.

Im Vorhof des Tempels standen auf einer offenen Feuerstelle, zwei Meter breite eiserne Kochtöpfe, in denen Milch für die Ratten gekocht wurden. Danach servierten die Tempelpriester den Ratten die Speisen und Wasser in silbernen sowie bronzenen Schalen. Die Gläubigen aßen von den Speisen und tranken von dem Wasser oder der Mich, von denen sich zuerst die Ratten bedient hatten. Im Tempel war es angebracht sich vorsichtig zu bewegen. Die Ratten sind nicht scheu und kommen den Besuchern sehr nahe. Es bedeutet Glück, wenn einen eine Ratte über die Füße läuft.

Bei dem Anblick des Gewusels der vielen Ratten, verließ meinen Freund der Mut und verließ sofort wieder den Tempel. Ich hatte kein Problem, auch als Ratten auf meinen Füßen herumtobten. Hätte ich aus Versehen eine Ratte tödlich verletzt, so hätte ich das tote Tier außerhalb des Tempels begraben und dem Tempelgott ein Geldopfer darbringen müssen.

Ich war schon fast im Allerheiligsten und sah die unter einem goldenen Baldachin befindliche Statue der heiligen Karni Mata. Davor verzehrten die Priester mit den Ratten Speisen aus silbernen und bronzenen Schalen. Ein Priester kam auf mich zu und forderte mich diskret auf den Bezirk zu verlassen, denn der Zugang ins Allerheiligste sei nur den Hindus erlaubt.

Mit einem Jeep ging die Fahrt weiter in die Wüste Thar, wo wir eine Nacht in Zelten übernachteten. Als ich den feinen Wüstensand sah, sprang ich aus dem Jeep, zog meine Schuhe sowie Strümpfe aus und wollte unter meinen Füßen spüren. Nach einigen Schritten kehrte ich schnell zum Jeep zurück, denn in meine Füße haben sich schmerzhaft winzig kleine Kletten gebohrt. Sofort kam der Farmer mit einer Pinzette und entfernte die Stacheln,

Am nächsten Abend dienerten wir zu meinem Geburtstag im Fürstenpalast – der Kachwaha-Dynastie – Fort Amber. Mit Blattgold und Samt überzogenen Stühle erwarteten uns im Spiegelsaal. Der Chefkoch nahm die Bestellung und wir wurden von mehreren Pagen umsorgt.

© Oskar G. Weinig 2021-03-20

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