Der Schlüssel zum Glück (1)

Birgit Bremer-Fözö

von Birgit Bremer-Fözö

Story

“So lässt es sich leben.”, mit einem tiefen Atemzug sog sie die von Fichtennadeln und Föhrenharz geschwängerte Luft tief in ihre Lunge ein. Für einen Julitag war es erstaunlich kalt, aber zum Glück hatte sie gerade noch ihre dicken Kuschelsocken in den Weekender gepackt, bevor sie aus der Hitze der Betonmauern der Stadt in das Haus am See entflohen war. Genüsslich saß sie nun auf der Veranda des Holzhauses und streckte ihre besockten Füße der Abendsonne entgegen.

Nur hier konnte sie die Ruhe finden, an ihrem Buch weiterzuschreiben. Sie erhoffte, hier die lang vermisste Inspiration zu finden, die in der Hitze der Stadt langsam zu ersticken drohte. Gerade sah sie noch, wie sich die wärmende Sonne in ihrem Weinglas spiegelte und auf dem Buchenholztisch der Veranda ein Meer aus regenbogenfarbigen Wellenbergen projizierte, als ihre Augen langsam zufielen. Für einige Sekunden war sie verloren in Zeit und Raum, als sie eine Stunde später fröstelnd wieder erwachte.

Die Sonne war bereits hinter dem Wald auf der anderen Seite des Sees verschwunden und die satte Stille, welche die Zeit zwischen Tag und Nacht begleitete, war bereits eingekehrt. Sie rieb sich die Augen, als sie es sah …das Glitzern am Ostufer des Sees …es hatte etwas Warmes an sich. Einladend. Friedvoll. Vollkommen. Ein schmaler Streif schimmerte vom Ufer zur Mitte hin verlaufend zwischen den Bäumen durch, mitten in ihr Herz. Lange saß sie nur und beobachtete. Staunte. Musste Lächeln. Musste Weinen. War berührt, tief beseelt. Und erfüllt.

Sie nahm Papier und Bleistift und schrieb. Sie schrieb die Geschichte eines alten Mannes, dessen Zeit gekommen war und dessen einziges Ansinnen es war, seinen Schlüssel zum Geheimnis eines erfüllten Lebens an jemanden weiterzugeben. Doch er war einsam. Seine geliebte Frau war nach kurzem Leid im letzten Winter von ihm gegangen. Kinder waren dem Paar verwehrt geblieben.

Und so saß sie auf der Veranda und schrieb nun seine Geschichte auf. Wort für Wort, seine Gedanken, seinen Schlüssel zum Glück, der ihn sein halbes Leben lang begleitet hatte. Und selbst als sie noch spät in der Nacht den Stift nicht aus der Hand legen vermochte, weil die Wörter nur so aus ihr herausdrängten, selbst dann noch vernahm sie das friedvolle Licht, das inzwischen vom Grund des Sees zu kommen schien.

Und erst, als der letzte Punkt gesetzt war, verblasste auch das letzte Sternchen und zog sich in die tiefe Ewigkeit zurück.

© Birgit Bremer-Fözö 2021-04-22

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