Der Schneeflockentanz

Mariefu

von Mariefu

Story

Sanft setzt der Schneefall ein und taucht die weißen Hügel in ein flimmerndes Licht. Einige Flocken landen kaum merklich auf meiner Nase, als wollen sie mir helfen, den erhitzten Körper zu besänftigen. Gleichmäßige Schwünge über den Hang bringen mich innerlich schwebend dem Tal näher.

Immer wieder kreuzen sich unsere Bahnen, den ganzen Tag schon. Deine dunklen Augen erhaschen meine blauen und wir verschmelzen in Sekundenblicken vor der eisigen Bergkulisse. Unvorbereitet pocht das Herz, wenn du hinter der nächsten Tanne wartest oder mir deinen Liegestuhl überlässt, weil du weiterziehst. Der wundersame Tag neigt sich und ich freue mich auf das Treffen in der Alpe bei Musik und Tanz.

Die Menschen stehen dicht gedrängt und wer nicht mitgeschunkelt werden möchte, ist hier fehl am Platz. Durch hunderte Köpfe treffen sich unsere Augen. Deine schwarzen Haare kleben am Kopf und dein Lächeln wirbelt elektrisierte Wellen herüber. Die Mädels umschwärmen dich und ziehen dich fort. Du verdrehst genervt die Augen. Auch ich kann mich den unangenehmen, alkoholisierten Anbändeleien nicht entziehen.

Plötzlich sehe ich deinen Wink. Zögernd warte ich ab, bis du mir ein zweites Mal andeutest, mitzukommen. Neugierig dränge ich mich zwischen den Schunkelnden bis zu dir vor. Du nimmst meine Hand und schiebst mich hinaus auf die Terrasse. Die Musik ist gut zu hören. Du ziehst mich näher zu dir heran und beginnst zu tanzen. Die Leichtigkeit des Schneegestöbers hebt das Gewicht der Skistiefel auf und wir gleiten im Rhythmus der Musik über das Parkett.

Einstimmig zeichnen wir zwei Spuren in den Schnee, während sich grinsende Nasen am Fenster platt drücken. Deine warmen Hände führen mich leichtfüßig. Unsere Augen folgen einem magischen Plan und blenden aus, was stört. Langsam verlassen wir die Tanzfläche und entkommen im Wirbel der Schneeflocken den neugierigen Blicken. Hand in Hand schlendern wir still die Straße entlang. Mal werde ich schneller, dann du. Zaghaft suchen sich unsere Augen, als wollen sie miteinander fangen spielen.

An einer Mauer lehne ich mich an, lächelnd stehst du dicht vor mir. Dein Mund nähert sich meinem und ich spüre den warmen Hauch deines Atems auf meiner Haut. Im letzten Augenblick drehe ich mich weg und rolle an der Mauer entlang, um dir zu entfliehen. Du lachst laut auf, hast meine Aufforderung verstanden und rollst mir hinterher. Fröhlich wiederholen wir unser Spiel bis ans Ende der Mauer.

Beim letzten Stein nimmst du mein Gesicht in deine Hände und lässt mich nicht mehr los. Ein flammender Kuss zwischen tausend glitzernden Schneekristallen, die weiße Erde verschmilzt glühend mit dem schwarzen Himmel der wolkenverhangenen Nacht. Nur schwer lösen sich unsere Lippen voneinander, bevor wir die Hände zum Abschied heben. „Ik ben Luc“, rufst du mir mit deinem niederländischen Akzent hinterher. Ich gehe weiter die Straße entlang. Deine Blicke im Nacken wollen mich halten, doch unser Tanz endet hier. Für immer.

© Mariefu 2021-03-22

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