von Hermann Karosser
âDer Schatz im Silberseeâ ist eines von den vielen Karl-May-BĂŒchern, die ich als Jugendlicher mit höchster Begeisterung gelesen habe. Aber darum soll es gar nicht gehen. â Ich habe festgestellt, dass es in unserer nĂ€heren Umgebung eine nicht geringe Zahl an GewĂ€ssern gibt, die den Namen âSilberseeâ tragen, meist unscheinbare Altwasser von Inn und Isen.
So um 1986 rum, war ich mit meinem Chef, dem MĂŒhldorfer Landrat Rambold wieder einmal in Sachen âOrtsbesichtigungâ unterwegs. Er lieĂ es sich nicht nehmen, an wichtigen baurechtlichen Entscheidungen selbst mitzuwirken und oft machte er sich an Ort und Stelle ein Bild von der strittigen Bausache. â Wir fuhren in Heldenstein von der B 12 ab und weiter in Richtung Söllerstadt. Dort bogen wir, einem Wegweiser folgend, nach Ornau ab, wo wir bei einem SĂ€gewerk das Auto abstellten und zu FuĂ ĂŒber feuchte Wiesen bis zum Ufer der Isen gingen. Der kleine Fluss war hier natĂŒrlich und zusĂ€tzlich von Menschenhand in mehrere Arme aufgeteilt und an einer Stelle zu einem gröĂeren Weiher aufgeweitet, dem Silbersee. âEin sehr idyllisches kleines Fleckchen Erdeâ, waren wir uns einig, âdas sich der Herr Höllerich fĂŒr seine FischerhĂŒtte hier ausgesucht hatâ.
Beim Blick durch die Fenster des einfachen HolzgebĂ€udes konnten wir feststellen, dass der Begriff âFischerhĂŒtteâ dafĂŒr schon sehr untertrieben war, fehlten doch weder Kochstelle noch Ăbernachtungsmöglichkeit. â Nach deutschem Baurecht ein klarer Fall: Nichtprivilegiertes Bauvorhaben im AuĂenbereich, unzulĂ€ssig nach §35 Bundesbaugesetz. Folgerichtig erlieĂen wir seitens des Landratsamtes eine Beseitigungsanordnung gegenĂŒber dem EigentĂŒmer.
Er hat es sich nicht gefallen lassen und das Bayerische Verwaltungsgericht angerufen. Das wollte auch nicht vom Schreibtisch aus entscheiden und fĂŒhrte eine Ortseinsicht durch, zu der wir als anordnende Behörde geladen wurden. â NatĂŒrlich wussten wir im Amt, wer Gerhard Höllerich war und nahmen bereitwilliger als sonst â weil neugierig â an dem Termin teil.
âGanz in WeiĂ mit einem BlumenstrauĂâ hatte er dereinst schnulzig ĂŒber alle Fernseh- und RundfunkkanĂ€le und von Schallplatten und Tonbandkassetten geschmachtet, Roy Black, der Liebling der Frauen. â Wir waren enttĂ€uscht. Im Schlepptau seiner AnwĂ€lte begegnete uns eine ganz andere Person als wir sie von den Fernsehbildern her kannten. Er beteiligte sich selbst nicht an der Verhandlung und wirkte geradezu geistesabwesend.
Das Gericht wies die Klage ab, bestĂ€tigte unsere Entscheidung, gewĂ€hrte Herrn Höllerich aber eine groĂzĂŒgige Auslauffrist fĂŒr die endgĂŒltige Beseitigung des GebĂ€udes. â Vor fast 30 Jahren, am 9. Oktober 1991 starb Roy Black just in dieser FischerhĂŒtte, ob an Herzversagen oder wegen ĂŒbermĂ€Ăigen Alkoholkonsums, darĂŒber streiten die Experten nach wie vor.
Die FischerhĂŒtte steht nicht mehr, aber Kerzen und Blumen werden von Fans des SchlagersĂ€ngers noch heute aufgestellt, am Silbersee in Ornau.
© Hermann Karosser 2021-01-09