Ich hasse Unpünktlichkeit. Ich selbst bin immer ein paar Minuten zu früh bei Terminen oder bei einem Treffen. Wenn es nur andere Menschen auch so genau nehmen würden!
Wenn ich jemanden einlade, dann neige ich zur Perfektion. Aufgeräumt und gestaubsaugt ist sowieso, aber auch das Timing vom Essen muss stimmen. Um die vereinbarte Zeit ist das Essen fertig und servierbereit. Der Besuch betritt die Wohnung, erhält ein Getränk und umgehend auch das Essen.
Heute hatte ich einen Freund zum Frühstück eingeladen. Araber haben offensichtlich ein kleines Problem mit Pünktlichkeit. Zumindest dieser Araber. Man soll ja nicht Pauschalisieren. Als ich ihn letztens zum Abendessen eingeladen hatte, kam er 45 Minuten zu spät. Der Fisch war kalt, die Kartoffeln verkocht und ich ziemlich grantig, weil aufgrund der Unpünktlichkeit das Essen halt nimmer perfekt war.
Also wusste ich heute schon: Pünktlich ist nicht. Er sollte heute um 08.30 Uhr da sein. Ich war um 08.45 Uhr mit den Vorbereitungen fertig. Der Tisch war gedeckt, es gab allerlei Leckereien. Ich war schon lange munter und mit Vorbereitungen beschäftigt und mein Magen knurrte. Um 08.45 schmolz die Butter für das Eieromelette in der Pfanne. Um 08.50 schrieb ich eine Nachricht: „??? HUNGER!“. Keine Reaktion.
Um 09.10 erhielt ich eine Antwort: „Sorry! 10 Minuten!“. Das 1. Omelette war fertig, das 2. in der Pfanne und meine Laune im Keller. Unmöglich!! Einfach viel zu spät kommen und sich nicht mal melden!! Wie respektlos! Grantig motzte ich das Omelette in der Pfanne an. Mein Freund macht einen Bogen um mich. Er weiß: Wenn ich hungrig UND grantig bin, ist es besser, mir aus dem Weg zu gehen. Da ist echt vorbei mit dem Spaß.
Um 09.25 Uhr läutet es endlich an der Tür. Mein Freund öffnet und der bärtige Araber betritt mit einem „Soooorry!!!! Tut mir leid!“ die Wohnung. Ich steh stumm mit verschränkten Armen in der Küche und schau ihn böse an. Er ignoriert meinen offensichtlichen Zorn und umarmt und drückt mich, als wär ich ein Stofftier.
„Geh, hinsetzen.“, motzte ich ihn einsilbig und ohne Begrüßung an. Als ich mit dem warm gehaltenen Omelette zum gedeckten Tisch kam, war keiner da. Ich schaute auf den Balkon. Da stand er und rauchte. Er ist Nichtraucher.
Wutschäumend überlegte ich, ob es als Notwehr durchgehen würd, wenn ich ihn jetzt erwürg. Ich atme durch und beschließe, dass er halt ein kaltes Omelette bekommt. Mord ist ja auch keine Lösung. Also fang ich allein an zu essen.
Als der Magen voller wird, verfliegt mein Zorn. Der Araber scheint doch ein schlechtes Gewissen gehabt zu haben. Mein Auto wurde kurzerhand entführt und gründlichst gereinigt. So sauber war mein Auto zuletzt als ich ihn gekauft hab. Grinsend nehm ich den Autoschlüssel entgegen. „Gut. Du darfst nächstes Mal auch zu spät kommen.“, sag ich. „Okay. Passt. Wann hast du mal Urlaub? Deine Wohnung muss geweißelt werden. Ich mach das.“. Echt jetzt? Ich wollt eigentlich schon noch ein bisserl grantig sein.
Foto: Unsplash, Brooke Lark
© Melly Schaffenrath 2020-08-15