von Denise Götze
Der Vorteil ein Schreiberling zu sein liegt auf der Hand. Man wird gewisse Sachen einfach los, egal ob es den Weg zu anderen Augen findet oder nicht.
Ich muss lernen Erwartungen loszulassen. Vor allem die schlechten Erwartungen gilt es loszulassen. Zu denken, dass man nur heimlich getroffen wird und die Familie oder Freunde der Person nie kennenlernen wird. Ich war immer diejenige im Hintergrund. Die Person, die dafür gesorgt hat, das alles lief. Der Schatten. Anwesend, aber nicht beachtet. So oft saß ich mit meinen Liebhabern im selben Raum und sie haben mich nicht angesehen, oder mit mir gesprochen. Sie haben mir Nachrichten geschickt, dass wir uns nach der Veranstaltung in einer abgelegenen Gasse treffen, oder ich zum anderen Ende des Dorfes herausgehen soll, zehn Minuten nachdem sie die Feier verlassen haben und sie im Wald treffen soll. Oder wieder andere, die mich nur der Familie vorgestellt haben, um mir dann zu sagen, dass ihre Eltern mich nicht mögen und es deshalb keine Zukunft hat, obwohl ich vorher wochenlang dafür gesorgt habe, dass es ihnen an nichts fehlt. Die Erwartungen meinerseits sind hoch, im negativen Sinn. Es stand noch nie jemand wirklich neben mir und hat mich verteidigt, oder auch nur überhaupt neben mir gestanden, als mir den tödlichen Stoß von hinten zu verpassen. Ich möchte vorbereitet sein. Egal wie jemand ist, egal was jemand macht – ich möchte diejenige sein, die damit umzugehen weiß, die nicht in dieses tiefe dunkle Loch fällt. Es erfüllt mich jedes Mal mit Freude, wen ich andere über ihre schlimmen Ereignisse sprechen höre und sie bei weitem harmloser sind, als das was ich kenne. Es zeigt mir, dass sie noch im Licht leben und das Gute im Menschen sehen. Dass die Angst davor jemanden in ihr Leben zu lassen, nicht annähernd so riesig ist, wie meine. Neue Menschen in meinem Leben zu begrüßen fällt mir schwer, Nervosität begleitet alles Neue. Nie hätte ich gedacht, dass es so unangenehm sein kann offen für Gutes zu sein und es nicht ständig zu hinterfragen. Neben all den Menschen, die mich noch immer als nettes Plus sehen, weil ich nun einfach da bin und mich sorge. Ohne Ansprüche zu stellen, die derjenige nicht erfüllen kann. Gibt es mittlerweile Menschen, denen nicht egal zu sein scheint, wer ich bin und das bereitet mir Hoffnung. Letztens habe ich gehört, dass Menschen, die Liebe als Kind nicht auf einem Silberlöffel präsentiert bekamen lernen Liebe von der Klinge eines Messers abzulecken. Von wem dieser Ausspruch stammt, kann ich nicht sagen. Es resonierte allerdings tief in mir. Das Bedürfnis mehr für jemand anderen zu sein, als ein belangloses Spielzeug ist überwältigend und es zu stillen gelang mir bislang nicht. Ein Riss, der vermutlich immer einen Spalt geöffnet bleiben wird. Aber er wird kleiner. Mit jeder netten Geste, bei der auch darüber nachgedacht wird, wie es mir dabei gehen könnte – wächst mein Herz ein Stück und Tränen lassen diese schwarzen Klumpen, die sich an mich geheftet haben ein Stück lockerer werden. So, dass ich wieder atmen kann. Es fühlt sich an, als würde ich die ganze Zeit über die Luft anhalten und immer nur kurz bevor ich das Bewusstsein zu verlieren drohe, einen kurzen schmerzhaften Atemzug machen. Es ergreift mich oft das Gefühl der Melancholie. Es ist ein Teil meiner Welt geworden. In Zukunft hoffentlich immer begleitet von Hoffnung.
© Denise Götze 2024-08-27