von Michael Schaake
Frei nach Thomas Mann: mein eigener Zauberberg, das Schwarzhorn.
Davos im Kanton Graubünden war quasi mein zweites Zuhause. Meine Freunde Urs und Ute, zehn Jahre vorher in Westafrika kennengelernt, hatten da ein Hotel. Ich wohnte eine Stunde entfernt im Kanton Schwyz, verbrachte jedes freie Wochenende und Urlaub bei ihnen im Hotel Concordia. Im Winter Skifahren, im Sommer Bergwandern, Motorrad oder Paragliding (andere Storys), vertretungsweise auch mal Rezeption machen oder kellnern, schöne Zeit.
Ich war beruflich viel im Ausland unterwegs. In einem unserer Hotels in Spanien lernte ich Nelly kennen, Engländerin, Krankenschwester, und was für ein Zufall, sie wohnte und arbeitete in Davos, traditionell Höhenluftkurort für betuchte englische Patienten. Wir flirteten heftig und verabredeten uns für Davos.
Sommer 1986 — um eins in der Nacht ging’s los, wir wanderten aufs Schwarzhorn mit einer kleinen Gruppe von Freunden, oben auf 3147 m Höhe den Sonnenaufgang erleben, super! Nelly hatte bei unserem Flirt in Spanien offenbar ihren Freund vergessen (Klischee: älterer Chefarzt und hübsche junge Krankenschwester), der war jetzt dabei, wir verzichteten auf schmachtende Blicke, ich blieb ganz höflich und diskret, wohnte bei Urs und Ute im Hotel, keine weiteren Folgen.
Ein Jahr später Wanderung mit Urs und seinen beiden Cousinen auf das Schwarzhorn, beide sehr nett, sympathisch und attraktiv, Freundschaft, zu mehr kam es nicht, also wieder Schwarzhorn ohne weitere Folgen.
1989 war es dann soweit: ich wohnte zur Abwechslung mal wieder in Deutschland, fuhr mit meiner neuen Freundin Kirsten nach Davos in Urlaub. Start früh um 5 Uhr in Dortmund, um 12 kamen wir in Davos an, zogen die Wanderschuhe an und ab aufs Schwarzhorn, dieses Mal Sonnenuntergang, in der Dämmerung wieder runter, toller Tag. Kurz danach heirateten wir, Urs war Trauzeuge. Hochzeitsreise ausnahmsweise nicht nach Davos sondern Paris “comme il faut”.
1991 kam Sohn Rick zur Welt, wir fuhren über Weihnachten nach Davos, Dieses Mal nicht aufs Schwarzhorn, im Winter und mit Baby geht das nicht. Beim Abendessen und einem Glas Wein sagte uns Ute, wie immer loses Mundwerk und sehr direkt: Ihr passt nicht zueinander. Wir mussten lachen, und nach zwei Jahren und zwei weiteren schönen Urlauben in Davos trennten wir uns. Lag vielleicht auch daran, dass wir nicht nochmal zusammen auf das Schwarzhorn gestiegen sind?
Habe mit meinem Sohn, meinen Brüdern und Freund*innen viele andere Berge bestiegen, auch höhere. War noch oft in Davos, habe aber keine Frau mehr gefunden, die mit mir auf das Schwarzhorn wollte. Keine Sorge, ich beklage mich nicht.
Bergwandern auf den Zauberberg war einfach schön, förderte Freundschaften, Familie und Beziehungen. Jetzt wandere ich seniorengerecht mit Freund*innen auf den Drachenfels im Siebengebirge und den Rodderberg auf der anderen Rheinseite, 300 und 200 m hoch, nicht mehr über 3000.
Foto: Blick vom Schwarzhorn
© Michael Schaake 2021-05-12