Der Zauberstein

Tristan Blau

von Tristan Blau

Story
Am Rande eines Eichenwaldes

Es war ein warmer Mittag im Spätsommer, als Herr B. die Tür seines Hauses zuzog. Er trug einen schwarzen Mantel, der bis an die Knöchel reichte und einen schwarzen Hut. Mit dem Zeigefinger seiner linken Hand malte er ein Pentagramm an seine Tür, kreiste es ein und legte seine Handfläche darauf. Er hatte dabei die Augen geschlossen und stellte sich vor, wie weißes Licht aus seiner Handfläche kam. Er flüsterte: „Dieses Haus ist geschützt vor allen Eindringlingen und weiß sich zu verteidigen.“ Anschließend griff er nach seinem Rollkoffer und drehte sich nach rechts, um sich auf den Weg zu seinem Auto zu machen. Herr B. hatte nämlich vor, eine Reise nach Skandinavien zu beschreiten. Er bemerkte, dass ein kleiner Junge am Tor zu seinem Vorgarten stand. Der Junge hatte Herrn B. die ganze Zeit über beobachtet. Dieser fühlte sich ein wenig ertappt, dachte sich aber nichts weiter und grüßte den Jungen im Vorübergehen. Der Junge schwieg zunächst, sagte aber, als Herr B. bereits am Auto war: „Können Sie mir beibringen, wie man zaubert?“ Herr B. drehte sich auf dem Absatz um und ging auf den Jungen zu. Als er vor ihm stand, ging er in die Hocke und hob einen Stein vom Boden auf. Er hielt ihn dem Jungen vor das Gesicht und sagte: „Das ist ein Zauberstein. Du musst ihn immer bei dir tragen und jedes Mal, wenn dir etwas Tolles passiert, denke an diesen Stein. Du wirst bald merken, dass dir immer mehr tolle Sachen passieren, wenn du den Stein bei dir hast. Das wichtigste dabei ist, du musst wirklich fest daran glauben, dass der Stein das gemacht hat.“ Der kleine Junge machte große Augen und bedankte sich vielfach bei Herrn B. Freude ergriff den Jungen und er tänzelte davon. Herr B. rief ihm noch hinterher: „Ach ja und, wenn du den Stein bei dir hast, musst du dich vor nichts fürchten.“ Herr B stieg in sein Auto und machte sich auf die Reise.

Zwei Jahrzehnte vergingen, bis Herr B. und der Junge, der mittlerweile zu einem stattlichen Mann herangewachsen war, sich wiedertrafen. Ganz unerwartet klingelte es eines Tages bei Herrn B. an der Tür. Dieser öffnete sie und fing an zu grinsen, als er den jungen Mann sah. „Erinnern Sie sich an mich?“, fragte der junge Mann. „Aber sicher!“, antwortete Herr B., „Ich erinnere mich an alle, denen ich helfen konnte. Komm herein auf eine Tasse Tee und erzähle mir, wie der Stein dir geholfen hat.“ Der junge Mann erzählte ausführlich, wie gut sein Leben sich entwickelt habe. Er berichtete von einigen erstaunlichen Zufällen, die ihn immer in die richtige Richtung geleitet hatten und davon, dass alle seine Sorgen nicht lange auf eine Lösung warten mussten. Ferner erklärte er, dass ihn zu keiner Zeit, selbst in den gefährlichsten Situationen, auch nur ein Funke Angst überkam. Herr B. nickte die ganze Zeit über mit einem Lächeln auf den Lippen. „So, und nun müssen Sie mir erzählen, wie Sie den Stein verzaubert haben“, sagte der junge Mann. Herr B. lachte herzlich. „Mein Junge, es wird dich überraschen, doch ich muss dir sagen, dass ich den Stein nicht verzaubert habe. Ich habe ihn einfach vom Boden aufgehoben und dir gegeben. Das, was den ganzen Zauber gemacht hat, war einzig und allein dein fester Glaube an die magische Wirkung des Steins.“ Der junge Mann war erstaunt. „Bedeutet das, dass ich alles erreichen kann, wenn ich nur fest daran glaube?“ Herr B. nickte und sagte: „Ja, doch du darfst eins nie vergessen: Bleibe fest in der Liebe und denke auch immer an deine Mitmenschen, wenn du das bekommst, was du dir wünscht.“

© Tristan Blau 2023-09-26

Genres
Romane & Erzählungen, Anthologien
Stimmung
Abenteuerlich, Hoffnungsvoll, Inspirierend, Mysteriös, Lighthearted
Hashtags