Deutsch: Urin-stinkt oder Ur-instinkt?

Wolfgang A. Schweighofer

von Wolfgang A. Schweighofer

Story

Die deutsche Sprache ist eine schöne Sprache und äußerst vielfältig. Es ist möglich, endlos lang erscheinende Wörter zu konstruieren und Sätze zu bilden, die als sogenannte „Schachtelsätze“ verpönt sind. Dass eine große Menge Wörter zwei- oder mehrfache Bedeutung haben und in vielen Fällen eine Kleinigkeit bei der Zeichensetzung oder auch bei der Klein- und Großschreibung ausreicht, um für größtmögliche Verwirrung zu sorgen, stellt für Deutsch-Lehrende und Lernende oft eine große Bürde dar. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass Deutsch ziemlich widersprüchlich sein kann:

Der Junge sieht dir ungeheuer ähnlich – Der Junge sieht dir Ungeheuer ähnlich//////——-Wäre er doch nur Dichter! – Wäre er doch nur dichter!

Der Weizen und das Korn – Das Weizen und der Korn ////—– Komm, wir essen, Opa – Komm, wir essen Opa

Du hast den schönsten Hintern weit und breit – Du hast den schönsten Hintern, weit und breit.

Vor dem Fenster sah sie den geliebten Rasen – Vor dem Fenster sah sie den Geliebten rasen

Er hat in Berlin liebe Genossen – Er hat in Berlin Liebe genossen

Warme Speisen im Keller – Warme speisen im Keller

Warum sind füllige Frauen gut zu Vögeln? – Warum sind füllige Frauen gut zu vögeln?

Der Lehrer sagt, der Schüler ist doof – Der Lehrer, sagt der Schüler, ist doof.

Zu ungeliebten „Wortschöpfungen“ zählen:

Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung

Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz

Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän

Ungünstige Silbentrennungen sind:

Einkauf-stempel – Einkaufs-tempel, Ei-stempel – Eis-tempel, Müller-zeugung – Müll-erzeugung, Urin-stinkt – Ur-instinkt, Wachs-tube – Wach-stube oder Zuck-erguss – Zucker-guss.

Bei einem Leiter einer Wachstube war es tatsächlich so, dass er in der Wachs-tube jene nicht finden konnte, die sein Vorgesetzter aber in der Wach-stube vermutete. Deshalb meinte dieser, er solle seinen Ur-instinkt einschalten. Doch der Untergebene pflichtete ihm bei: „Urin-stinkt“. Somit war bald klar, dass nicht nur „Zugereiste“ in Deutsch ihre Probleme hatten, sondern sogar die Einheimischen. Oft bedingt durch den undeutlichen Sprachduktus des Dialekts, der nicht nur in den jeweiligen Bundesländern, sondern noch schlimmer – innerhalb von Regionen – mit eigenen Ausdrücken und eigener Aussprache variiert. Zuletzt wurde in der Corona-Pandemie um die Osterzeit der Begriff „Ost-erweiterung“ und „Oster-weiterung“ erwähnt. Die Diskussion, ob eine Verlängerung des Lockdowns auch nach Ostern Sinn mache, wurde im Osten des Landes bestätigt. Somit ist nur allzu verständlich, wenn es allgemein heißt: „Deutsche Sprache, schwere Sprache!“ Und: der „Ur-instinkt“ kann nichts dafür!

© Wolfgang A. Schweighofer 2021-05-05

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