von Zeitreise
Nach langen Überlegungen machte ich den großen Schritt, ich zog vom kleinen Dorf in Tirol in die große Stadt nach Wien. Ich war immer etwas schüchtern und konnte mich nie richtig durchsetzen. Erst in der Stadt, wurde mir bewusst, wie schlecht solche Eigenschaften in manchen Situationen sind.
Ich war erst eine Woche in Wien, da wurde ein kleiner Ausflug in das Postamt zu einer ungewollten Mission mit Hindernissen. Mittels Navigation meines Handys schaffte ich es mich zum Postamt in der Währinger-Straße zu manövrieren. Paket entgegengenommen und ab nach Haus, so war der Plan, doch die alte Dame vor der Eingangstüre des Postamts, war da anderer Meinung.
“Könnten Sie mir sagen, wo sich die Station ”Altes AKH“ von der U6 befindet?“ fragte mich die zierliche alte Dame, die im Rollstuhl saß. Zögerlich deutete ich in eine Richtung. “Ich glaube in dieser Richtung, bin mir aber selbst nicht ganz sicher” erklärte ich ihr höflich. “Könnten sie mich eventuell dort hinschieben, leider habe ich niemanden der mir helfen kann” erklärte die Dame traurig. Ohne noch kurz Nachzudenken, nahm ich die beiden Griffe des Rollstuhls in die Hand und schob sie die Straße entlang.
Ich wollte gerade am Gehsteig entlangfahren, da erklärte mir die Dame, ob ich nicht vom Gehsteig runterfahren kann und sie auf der Straße schieben kann, da der Belag so ruckelig sei. Es war eine ruhige Nebenfahrbahn, daher willigte ich ein und fuhr auf die Straße. Diese Straße endet jedoch schnell und ich wollte wieder auf den Gehsteig – ein großer Fehler.
Plötzlich fing die Frau lauthals zu schreien an. Ich sollte gefälligst auf der Straße bleiben, sie habe dieses Privileg als alte eingeschränkte Dame erklärte sie mir. Keine Chance dagegen zureden, Sie brüllte mich nur an und kurz darauf fielen alle Blick der Fußgänger*innen auf mich. Sofort lenkte ich den Rollstuhl wieder gerade der Straße entlang, denn nur dann hörte sie auf zu schreien.
10 Minuten (Gefühlsweise 2 Stunde) lang musst ich die alte Frau mitten auf der Straße schieben, hinter mir, mehrere Autos. Immer wieder fuhr ich nur etwas an die Seite, um die Autos vorbeizulassen, doch dann fing sie wieder an zu schreien. Ich war zu eingeschüchtert um noch irgendetwas zu sagen und einfach eine alte Dame im Rollstuhl am Straßenrand zurückzulassen, konnte ich mit meinem Gewiss nicht vereinbaren. Daher versucht ich so schnell es ging, sie ans Ziel zu befördern.
Erleichtert an der Ubahn-Station angekommen, stellte ich sie vor der Lifttüre ab. Sie bedankte sich nicht, drehte sich nicht einmal zu mir um. Ohne irgendeine Reaktion zu zeigen, rollte sie in den Fahrstuhl.
Erschöpfte machte ich mich auf den Heimweg und kämpfte im Inneren immer noch mit meinem Gewissen, ob ich richtige gehandelt hatte. Doch letzten Endes war es doch der gute Wille und die Nächstenliebe die zähen. Oder etwa nicht?
© Zeitreise 2020-11-01