Die Brücken am Fluss

Margit Schinerl

von Margit Schinerl

Story

Ein Buch lese ich nur einmal. Punkt. Einen Film sehe ich kein zweites Mal. Doppelpunkt: es sei denn, der Filmtitel ist ident mit jenem im Storytitel. Clint Eastwood und Meryl Streep. Der Streifen ist 1995 entstanden und spielt 1965, nach einer Romanvorlage von einem Robert Waller. In einem Kommentar habe ich mich kürzlich als kein Fan (keine Fanin?) von Liebesfilmen geoutet, auch „Westler“ (Wild-West-Filme) sind nicht mein Genre. Somit ist Mr. Eastwood eher nicht mein favourite actor, Meryl Streep habe ich sicher in meiner Wien-Zeit öfter im Kino gesehen. Und doch ist nun ein Liebesfilm mein Lieblingsfilm!

Wie komme ich nun zu den Brücken? Die an welchem Fluss liegen bzw. über welchen führen? Wenn ich mich richtig erinnere, hat dies mit der Sammlung von selbst aufgenommenen Videokassetten meines (mittlerweile bierbrauenden) Anvertrauten zu tun. “Er” ist schuld, dass dies einer meiner Lieblingsfilme geworden ist.

Ein Film, der mit wenigen, minutenlangen Einstellungen gewisse Handlungen erwarten lässt und sehr starke Gefühle auslöst. Es bedarf keiner dramatischen Musik oder eines plötzlichen Szenenwechsels, um Neugier, Nähe oder Erfüllung auszudrücken. Lange schaut Meryl Streep – Francesca – dem wegfahrenden Auto mit Mann und Kindern nach, erfüllt mit der Vorfreude, alle bald wiederzusehen.

Für mich ist jene Szene ein Höhepunkt, in der Francesca mit ihrem Mann in der Stadt fährt, bei starkem Regen, hinter dem Wagen von Clint Eastwood – Robert, mit dem sie während der Abwesenheit ihres Mannes, ein paar wenige umso wunderschöne Stunden verbracht hatte. Vielleicht die aufregendsten und erkenntnisreichsten in ihrem Leben. Die Scheibenwischer geben zwischen den Hin- und Herbewegungen den Blick frei auf das Auto vor ihr. Sie hat Tränen in den Augen und könnte in diesen wenigen Momenten über das Schicksal, ihr eigenes sowie das ihrer Familie, bestimmen. Die Ampel zeigt rot, im stehenden Auto hat sie die Hand am Öffner der Autotüre. Ahnungslos und unbekümmert redet ihr Mann irgendetwas. In welchem Gefühlschaos sich Meryl Streep befindet – nur wir Zuschauenden ahnen, wissen, fühlen es!!! Wenige Meter, eine Autolänge, trennen ihre bisherige Welt mit Mann und Kindern und Arbeit von einer vor kurzem kennengelernten, in der sie andere, neue Gefühle und Wertigkeiten entdeckte.

“Ich sage es nur einmal: komm mit mir”. Wird sie es wagen, wird sie mit ihm gehen?

Ich glaube, es gibt heute kaum einen Film, der mit so einfachen und ausgewogenen Mitteln so ausdrucksstark tiefe Gefühle vermittelt. Es gibt übrigens eine Fortsetzung des ersten Buches, sie heißt wirklich “Der Weg der Liebe”(!), die natürlich bei weitem nicht an den ersten Teil herankommt.

Im Übrigen kann es aber doch ab und zu mal vorkommen, dass ich ein gelesenes Buch ein zweites Mal zur Hand nehme: nämlich dann, wenn ich mich Erinnerungslücken ob des Inhalts plagen.

© Margit Schinerl 2022-03-24

Hashtags